Bob lässt sein altes Leben hinter sich. Aufs Geratewohl hat er ein Wohnmobil gekauft, um damit in der kalifornischen Wüste sich selbst zu finden. Seine Kollegen hatten ihn vergeblich gewarnt: «Tu das nicht, das entspricht nicht deinem Lifestyle.» Aber was sollte er tun? Wenn er sich umsehe in seinem Bekanntenkreis, dann merke er: «In meinem Alter fällt dauernd jemand tot um.»
Glücklich sei er nie richtig gewesen, und auch jetzt ist er es nicht. Allein ist er losgezogen, und er hat manchmal Mühe mit seinem neuen Heim. Eine Art Lebensbilanz lautet: «Ich bereue eher Sachen, die ich nicht getan habe, als solche, die ich getan habe.»
Im typischen japanischen Berufsleben ist man eine Gruppe. Für die Zeit danach gilt: «Plötzlich wird man ein Individuum», sagt Yamada in Tokio. «Und plötzlich einsam.» Ohne Hobby sei man nach der Pensionierung verloren; «mindestens 10 bis 12 davon» sollte man sich zulegen. Man sieht Yamada beim Golfabschlag oder im Schwimmbad.
Seine wahre Berufung findet er indes anderswo. Er besucht Kurse für Geschichtenerzähler. Konkret geht es um die Kunst des Kinderbuchvorlesens, begleitet von gestischem und mimischem Ausdruck. Bei Bedarf kann er sich auch verkleiden und ein paar Hasenohren anstecken.
Yamada hat gelernt, wie man mit den Kleinen umgeht. Er kann als Pensionär fremden Kindern geben, was er während seines Arbeitslebens den eigenen Kindern nicht gönnen konnte. Eine Wahrheit, die er reuevoll erkennt.
«Ich bin mit mir allein glücklich»
Im Glitzerkleid, voll geschminkt und mit Perücke, zieht Steve seinen Rollkoffer hinter sich her. Der Weg führt vom heimischen England ins spanische Benidorm. Hier, im Seniorenferienparadies, verdingt er sich abends als Dragqueen und Bühnenkomiker mit schlüpfrigen Witzen in einem Cabaret. Sein Entschluss steht fest: «Für mich gibt es keine Rückkehr.»
Die Liebe ist für ihn kein Thema mehr, weil «sie dich am Ende des Abends wieder verlässt». Er will die Liebe nicht noch einmal verlieren und bekennt: «Ich bin mit mir allein glücklich.» Sein Leben mache ihn nicht traurig, «weil ich das nicht zulasse». Einst hatte er ein sogenannt bürgerliches Leben: Mit 19 geheiratet, drei Kinder, bis er ausgestiegen ist und nun in einem neuen Land eine neue Existenz praktiziert.
Es liegt eine grosse Wehmut in den Bildern des Films: Männer auf drei Kontinenten und ihr Versuch, einen neuen Lebensabschnitt sinnvoll zu gestalten, drei Lebensgeschichten von Verpasstem und von der Hoffnung, gegen «Ende» noch einmal etwas zu versuchen. Zu den drei Protagonisten des Films gesellen sich weitere Personen: Immer wieder sprechen unbekannte Dritte lebensphilosophische Sentenzen in die Kamera. Diese Texte stammen von der Schriftstellerin Sibylle Berg.
Almost There
Regie: Jacqueline Zünd
Ab Do, 7.9., im Kino