Das Teenager-Dasein ist kompliziert: Das war auch 1979 im kalifornischen Santa Barbara nicht anders. «Art Fag» («Kunst-Schwuchtel») prangt in grossen schwarzen Buchstaben auf dem Auto von Dorothea. Denn ihr Sohn Jamie (15) hört die intellektuelle Rock-Band Talking Heads. Die falsche Musik, wenn es nach den Fans der brachialen Hardcore-Punkband Black Flag geht. Mit der Sprayerei setzen sie ein klares Statement und stempeln Jamie als Weichei ab.
Jamies Mutter Dorothea (Annette Bening) versteht die Welt nicht mehr. Sie ist 55, selbstbewusst und schlägt sich als einzige Frau in einem Architektur-Büro durch. Mit Vorliebe trägt sie Birkenstock, und allfällige Date-Partner hat sie aus ihrem Leben verbannt. Die Welt ihres 40 Jahre jüngeren Sohnes ist ihr fremd. Die beiden pflegen zwar eine liebevolle Beziehung, aber was im Kopf des anderen vorgeht, bleibt ein Rätsel, wie die doppelte Erzählperspektive im Film offenlegt.
Vermittlung eines «guten Männerbildes»
Die einzige Männerfigur in Jamies Leben ist der Untermieter William – doch der zögerliche Spät-Hippie taugt nicht als Vorbild. Und so beschliesst Dorothea, Rat bei zwei Frauen zu suchen, die ihrem Sohn nahestehen: Die 17-jährige Julie (Elle Fanning), mit der Jamie eine platonische Freundschaft pflegt, und die 24-jährige Untermieterin Abbie (Greta Gerwig), die sich in Santa Barbara von ihrer Krebserkrankung erholt. Sie verkehrt in der Punk-Szene und betätigt sich kreativ als Foto-Künstlerin. Die beiden sollen Jamie behilflich sein, seinen eigenen Weg zu finden und zu einem «guten Mann» zu werden.
Jamie selbst ist wenig begeistert vom Projekt seiner Mutter. Und die beiden jungen, rebellischen Frauen haben ihre eigenen Methoden, die sich nicht unbedingt mit Dorotheas Ideen decken. Abbie versorgt den 15-Jährigen mit feministischer Literatur, nimmt ihn zum Trinken und Tanzen mit. Julie konfrontiert ihn mit ihrer freizügigen Sexualität, die sie freilich nur mit anderen auslebt. In Jamies Bett übernachtet sie, um zu quatschen – und lässt ihn an Liebeskummer leiden. So lernt er die weiblichen Selbstentwürfe dreier Frauen kennen, die jede auf ihre Weise stark ist. Bis Jamie selber weiss, was er will, wird es eine Weile dauern …
Ein luftig-leichtes Porträt dreier Frauengenerationen
«20th Century Women» sei eine Liebeserklärung an «die Frauen, die mich aufgezogen haben», sagt der Regisseur, Grafikdesigner und Künstler Mike Mills, der wie seine Figur Jamie in den 60ern in Kalifornien geboren wurde. Mit einem tollen Schauspielteam gelingt ihm ein luftig-leichtes und humorvolles Porträt dreier Frauengenerationen in einer Zeit des Umbruchs. Der Film macht das Lebensgefühl einer Ära spürbar, in dem US-Präsident Jimmy Carter seine berühmte Rede zur Vertrauenskrise hielt, die «Energiekrise» ausbrach und die Punk-Bewegung auch in den Vorstädten Einzug hielt. Mike Mills lässt diese Fakten mit historischen Bildern collageartig in seinen Film einfliessen, der für die Golden Globes und einen Oscar nominiert wurde. Ein kurzweiliges Vergnügen, das auch Identitätsfragen heutiger Generationen aufwirft.
20th Century Women
Regie: Mike Mills
Ab Do, 18.5., im Kino