«Unser Bett wird jedes Mal weggespült, wenn es regnet.» Nicht nur das Bett, ihr ganzes Hab und Gut verlieren Cindy und Nick, wenn das Wasser kommt, etwa nach starken Niederschlägen bei einem Gewitter – «Jetzt müssen wir wieder von vorne anfangen.» Das drogensüchtige Paar lebt buchstäblich in der Unterwelt von Las Vegas. Oben die hell leuchtende Glitzerstadt, unten das feuchte, dunkle, höhlenartige Universum der Flutkanäle.
Auch Lalo lebt im Untergrund, allein. «Oben» verdient er sich seinen Lebensunterhalt als Kleinkrimineller («Ich vermittle Menschen, Drogen, Pillen»). Unter der Erde nennt man ihn «den Paten», bei ihm sucht man Rat, bei Streitigkeiten schlichtet Lalo zwischen den Parteien. Der Mann hat sich in einem engen Kanalrohr eingerichtet und lässt zwischendurch ein beherztes «Hallelujah» erschallen. Sein Tor zur Welt ist der Gully, durch den er klettert.
Mitten in der Steppe
Der Eigenbrötler Dave lebt weit ab von menschlichen Kontakten irgendwo mitten in der Steppen-Einöde Kaliforniens. Sein Zuhause ist ein ausrangierter oberirdischer Militär-Bunker. Hier spielt er Schlagzeug und Klarinette. Dave sinniert und räsoniert, über sein vergangenes Leben, über das Schicksal und sein Scheitern. «Wenn ich etwas entscheide, führt es immer in die Katastrophe.» Noch nie, sagt er, habe er einen Sonnenuntergang verpasst – «weil der nächste Morgen nicht garantiert ist».
Weit hinaus, ins Weltall, treibt es eine Gruppe von Menschen, jedenfalls in der Theorie: In der kargen, berückend schönen Wüstenlandschaft von Utah simulieren sie eine Marsmission. Von ihrer «Desert Research Station» aus machen sie sich auf zu Expeditionen. Sie sammeln in amateurhaft anmutenden Raumanzügen Steinproben und lassen den ferngesteuerten Mars-Rover über Stock und Stein fahren. Alles fast wie echt.
Einige von ihnen träumen davon, eines Tages wirklich zum fernen Planeten zu reisen. So wie die Geologiestudentin April, die früher im Irak-Krieg diente. Eine junge Frau mit schwieriger Kindheitsgeschichte, die selber keine Kleinen möchte. Und: «Ich glaube nicht an ein höheres Wesen.»
Sehnsuchtsort Mars
Der Sehnsuchtsort Mars hält für sie Versprechungen bereit, das Erfüllen von Träumen, wie es auf Erden nicht möglich scheint. Doch manchmal zweifelt sie, ob man wirklich zum Mars fliegen sollte – «Wenn die Erde zerstört wird, ist es einfach aus.»
Der aus dem Wallis stammende Regisseur Nicolas Steiner («Kampf der Königinnen») legt mit «Above And Below» seine Diplomarbeit an der Filmakademie Baden-Württemberg vor. Bei seinen Porträts von Menschen in den USA, die irgendwie aus der Welt gefallen sind, nimmt er sich selber ganz zurück. Er zeigt, ohne zu werten. Der Film kombiniert raffiniert einzelne Erzählstränge und verschränkt die Überlebenswelten mit parallelen Motiven. Das geschickte Zusammenwirken von Bildern (Kamera: Markus Nestroy), Musik und Sounddesign ergibt einen einzigartig gestalteten Dokumentarfilm, wie man ihn selten sieht.
«Above And Below» wurde 2015 mit dem Zürcher Filmpreis ausgezeichnet.
Above And Below
Regie: Nicolas Steiner
Ab Do, 25.2., im Kino