Film: A wie Amour fou
Sophie Rois glänzt in Nicolette Krebitz’ Film «A E I O U» als ältere Schauspielerin, die eine Beziehung zu einem Schüler hat – eine unkonventionelle, verrückte Liebe.
Inhalt
Kulturtipp 23/2022
Urs Hangartner
Der Zusatztitel «Das schnelle Alphabet der Liebe» von Nicolette Krebitz’ viertem Film täuscht: Es bleibt beim A und geht nicht weiter. «Mit dem A», so hört man die Protagonistin Anna (Sophie Rois) in einem der Off-Kommentare sagen, «fängt alles an. Das Leben, der Schmerz, die Erkenntnis und die Liebe. A ist der Klang, den man nicht aufhalten kann. Das A ist immer schon da. Und dann gibt es unendlich viele Möglichkeiten, wie es weitergehe...
Der Zusatztitel «Das schnelle Alphabet der Liebe» von Nicolette Krebitz’ viertem Film täuscht: Es bleibt beim A und geht nicht weiter. «Mit dem A», so hört man die Protagonistin Anna (Sophie Rois) in einem der Off-Kommentare sagen, «fängt alles an. Das Leben, der Schmerz, die Erkenntnis und die Liebe. A ist der Klang, den man nicht aufhalten kann. Das A ist immer schon da. Und dann gibt es unendlich viele Möglichkeiten, wie es weitergehen kann.» Es ist die Geschichte einer verrückten Liebe. Einer Amour fou. Oder ist sie letztlich nur eingebildet? Das fragt auch Michel (Udo Kier), Annas schwuler Freund, Nachbar und geduldig auf die ausstehenden Mieten wartender Hausbesitzer: Ob sie sich die Geschichte nicht etwa nur ausgedacht hat? Denn Anna wurde in Berlin Opfer eines Entreissdiebstahls auf offener Strasse. Als sie nichts- ahnend nach Hause spazierte nach einem unerfreulichen Vorfall im Hörspielstudio. Die 60-Jährige, offensichtlich ein einstiger Star, hatte hier ihre Arbeit hingeschmissen, weil sie von einem übergriffigen Dialogpartner vor dem Mikrofon begrapscht wurde.
Durch Humor zur Leichtigkeit
Mit einem lukrativen Auftrag könnte Anna endlich ihre Miete bezahlen, «zehn Jahre im Voraus ». Worauf Michel meint, die Begleichung der letztjährigen Ausstände wäre schon mal nicht schlecht. Anna soll einem Schüler mit Sprachfehler Sprechunterricht erteilen – mit Blick auf eine baldige Schultheateraufführung. Der 17-Jährige, ein Problemfall, der unter anderem Mühe im Unterricht hat, heisst Adrian (Milan Herms). Eines Tages steht er vor Annas Tür – es ist der Taschendieb! Doch die beiden raufen sich zusammen, und die Aufführung wird zum Erfolg. Dennoch schafft Adrian es nicht, eine Klasse weiterzukommen. Da hauen beide ab. Mit dem Zug geht es nach Nizza an der Côte d’Azur. Hier lieben sich Anna und ihr über 40 Jahre jüngerer Schüler zum ersten Mal im Hotelzimmer. Beide betätigen sich als Taschendiebe und klauen in Hotels. Als sie im Bistro die Zeitung liest, reisst er zwei Gucklöcher in die Zeitung: «Jetzt siehst du, was in der Welt passiert.» Mit Zeitungsmasken gehen beide am helllichten Tag auf Diebestour. Nackt baden sie im Meer, und nackt trägt er sie durch die Strassen der Stadt ins Hotel zurück. Bereits in ihrem letzten Film «Wild» (2016) hat Nicolette Krebitz eine «unmögliche Liebesgeschichte » erzählt. Damals liebte eine junge Frau einen Wolf. Mit «A E I O U» beschreibt Krebitz wiederum eine unkonventionelle Liebe, eine dramatische Romanze, die nie schwer daherkommt, sondern durch Humor zur Leichtigkeit findet. Stellenweise nimmt der Film Bezug zur Nouvelle Vague, wie im Satz aus Godards «À bout de souffle» (1960). Beim Liebesakt in Nizza ist Anna im Off zu hören: «Sie sind ausser Atem.»
A E I O U – Das schnelle Alphabet der Liebe
Regie: Nicolette Krebitz
D 2022, 104 Minuten
Ab Do, 10.11., im Kino