Wie taktlos wird «Taktlos» im Jahr 2024?
Anja Illmaier: Anders als die Premiere von 1984. Wir haben die musikalische Taktlosigkeit bewahrt, können heute aber viel unbeschwerter Neues wagen.
Der Name «Taktlos» macht noch immer Sinn?
Vera Kappeler: Durchaus, wenn man taktlos auch als unberechenbar liest.
Das Festival wurde 35 Jahre lang von einem Verein kuratiert. Wie kam es 2018 zur Umstellung auf die Musikerkuratierung?
Illmaier: Taktlos wurde von einer kleinen Gruppe um Pianistin Irène Schweizer lanciert. Später hat Journalist Fredi Bosshard fast allein kuratiert. Nach dessen Pensionierung brauchte es einen Neustart. Wir als junge Nachfolgerinnen haben die Grundideen erhalten, wollten aber eine neue Richtung einschlagen und haben uns für die Musikerkuratierung entschieden, die es in der Schweiz noch nicht gab.
Mittlerweile werden viele Festivals und Clubs von Musikern kuratiert. Was ist der Reiz dieser Form der Programmierung?
Illmaier: Sie öffnet andere musikalische Perspektiven und bringt das Universum von Musikerpersönlichkeiten zum Klingen.
Vera Kappeler, wie haben Sie auf die Anfrage reagiert?
Kappeler: Mit Freude, aber auch Respekt, da ich noch nie kuratiert hatte. Bald war mir klar, dass ich nicht nur eigene Projekte oder solche aus meinem engsten Umfeld programmieren wollte.
Zum Auftakt spielen Sie aber selbst.
Kappeler: Ja, das war ein Wunsch der Veranstalter. Und ich habe die Gelegenheit genutzt, um das Instrument Clavichord zu entdecken. Es passt gut ins Gesamtprogramm.
Ein vielfältiges Programm. Gab es Vorgaben der Veranstalter?
Kappeler: Keinerlei musikalische, organisatorische schon. So konnte ich nicht unendlich viele Musikerinnen und Musiker einladen, es gab ein ungefähres Budget und den Wunsch, den Kunstraum Walcheturm als Festivalzentrum zu bespielen.
Illmaier: Als Veranstalter beraten wir die Kuratorinnen höchstens bei der Dramaturgie, dem Ablauf der Konzerte.
Ist die Kuratierung musikbezogen geschehen oder personenbezogen?
Kappeler: Musikalisch, also inhaltlich. Ich wollte neue Projekte einladen, ermöglichen und auch initiieren. Zu hören sind vor allem Premieren wie das multimediale Projekt des Instrumentenbauers Lukas Rohner oder das Grossprojekt mit Märschen von Mauricio Kagel. Es ging mir um die Vielfalt, deshalb auch das Projekt Con sordino, das mit den Glocken von fünf Zürcher Kirchen arbeitet.
Ein Projekt Ihres Lebenspartners Peter Conradin Zumthor.
Kappeler: Genau, apropos keine Projekte aus meinem näheren Umfeld. Diese Ausnahme machte ich, weil das Glockenprogramm perfekt in den Festivalrahmen passt.
Wie schwierig war es, die Zürcher Kirchen dafür zu gewinnen?
Kappeler: Es brauchte viel Aufwand und Geduld von Engel Anja!
Das war also Sache der Veranstalter?
Illmaier: Ja, denn es gab lange Verhandlungen mit vielen Stellen und Personen. Mit dem Resultat, dass die Kirchen das Projekt nun in ihr KarwochenProgramm integrieren!
Am Festival gibt es auch konventionelle Konzertformate.
Kappeler: Ja, ein Triokonzert mit Mareille Merck etwa, weil ich unbedingt eine Gitarristin wollte zur Belebung der Instrumentenvielfalt. Oder das Solo von Jeppe Zeeberg, den ich beim Googeln nach dänischen Pianisten fand.
Zeeberg kannten Sie zuvor nicht?
Kappeler: Nein! Nun kommt er erstmals in die Schweiz.
Hat diese kreative Art, die ja auch die Musikerin Vera Kappeler ausmacht, zu ihrer Wahl als Kuratorin geführt?
Illmaier: Ja, denn wir suchen nach Persönlichkeiten, die ihre Eigenart haben, bekannt sind und zu den Ideen von «Taktlos» passen.
Nun steht das Programm. Wie gross ist die Vorfreude? Kappeler: Gross, weil ich teilweise nicht weiss, wie es klingen wird. Diese Verspieltheit ist mir wichtig, und wenn hin und wieder der musikalische Schalk aufblitzt, freut mich das.
Neue Klänge seit 1984
Das Zürcher Taktlos Festival präsentiert seit 40 Jahren grenzüberschreitende Spielformen zwischen Jazz, Neuer Musik und Improvisation. Bis 2017 vom Verein Fabrikjazz in der Roten Fabrik organisiert, wird seit 2018 ein Kuratierungsauftrag vergeben. Die Basler Pianistin Vera Kappeler (50) ist bekannt für Projekte von stilistischer und performativer Vielfalt.
Ihr Taktlos-Programm umfasst ein Trio mit Gitarristin Mareille Merck oder das AfropopProjekt von Joy Frempong und Robert Machiri. Ein eigens formiertes Grossensemble spielt Musik des argentinischen Avantgardisten Mauricio Kagel, der Instrumentenerfinder Lukas Rohner performt mit Studentinnen und Studenten der ZHdK.
Taktlos Festival
Fr, 15.3.–So, 17.3., Kunstraum Walcheturm, Predigerkirche, St. Peter Zürich
www.taktlos.com