Man reibt sich ein bisschen die Augen: Nicht nur der gros-
sen Namen wegen, welche Ivan Monighetti, der künstlerische Leiter von «Viva Cello», in die Nordwestschweiz locken konnte. Auch nicht wegen der Programme, die zwar originell, aber nicht derart aussergewöhnlich sind. Es ist wegen der Verbindung von Kunst und Armee: Nicht nur, dass man in der Kaserne Liestal das Festival eröffnet, das ist der räumlichen Situation im basellandschaftlichen Hauptort geschuldet. Sondern vor allem, weil das Symphonische Blasorchester Schweizer Armeespiel die Begleitung übernimmt.
Ivan Monighetti findet nichts dabei: «Das ist ein ausgezeichnetes Orchester, in dem unter anderem die Spitzenmusiker der grossen Schweizer Orchester Dienst tun. Auf diese Idee bin ich wegen des ‹Concerto militaire› von Jacques Offenbach gekommen. Wir spielen es in einer Bearbeitung von Major Philipp Wagner, der das Armeeorchester leitet.» Die Turnhalle in der Kaserne bietet auch genügend Fläche für das neuformierte Cello-Orchester des Festivals, das sich aus Amateuren, Studenten und Profis zusammensetzt. Es war Ivan Monighetti wichtig, ein Forum zu finden, in dem Cellisten aller Stufen gemeinsam auftreten können; Sol Gabetta hat ihre Mitwirkung bereits zugesagt. Der im Jahr 1943 in Taschkent/Usbekistan geborene Komponist Alexander Knaifel schrieb dafür im Auftrag des Festivals ein Stück für 39 Celli und 10 Schlagzeuger nach Märchen von Puschkin.
Ivan Monighetti freut sich: «Es hat viele musiktheatralische Elemente: Die Cellisten müssen sprechen, singen, stampfen und gestikulieren.» Spektakulär dürfte es auch schon vorher werden, wenn im Konzert für Cello und Blasorchester von Friedrich Gulda rockige Rhythmen Einzug halten. Solist ist mit Nicolas Altstaedt einer der musikalisch neugierigen Cellisten der jüngeren Generation, der mit diesen Klängen keine Mühe haben dürfte.
Barock bis Moderne
Das zweite gross besetzte Konzert im diesjährigen Festival findet dann aber doch in einem «richtigen» Konzertsaal statt: Im Stadtcasino Basel spielt die Basel Sinfonietta unter der Leitung von Michal Klauza ein Programm, das dem Andenken von Mstislaw Rostropowitsch – Monighettis Lehrer – gewidmet ist. Dafür glänzt die Spitzenklasse der Cellisten: Neben Monighetti selber spielen Sol Gabetta und Mischa Maisky bekannte Cellowerke von Boccherini und Bruch sowie Celloraritäten von Penderecki, Ginastera und Bernhard Romberg.
Eine überaus wechselvolle Geschichte haben die «Internationalen Musiktage Liestal» vorzuweisen, die seit 1992 in unregelmässigen Abständen stattfanden. «Viva Cello» hiessen sie erstmals im Jahr 2000, als der Cellist Wolfgang Lehner das Festival ganz auf das Instrument ausrichtete. Dabei ist es geblieben: 2003 und 2006 war Patrick Demenga für «Viva Cello» verantwortlich. Nun nach fünf Jahren Pause nimmt Ivan Monighetti einen neuen Anlauf. Er scheint eine ideale Besetzung: Der Tschaikowsky-Preisträger von 1974 ist einer der grossen Cellisten der Gegenwart und der Region Basel eng verbunden: Seit 1990 ist er Dozent an der Basler Musikhochschule und lebt in Bottmingen.
Sein Konzept für das mit acht Konzerten dicht gedrängte Festival-Programm jedenfalls überzeugt: «Ich habe mir vorgenommen, einen Überblick über die Musik für Cello vom Barock bis heute zu geben.» Da können nur Bachs Suiten am Anfang stehen, die vom Franko-Kanadier Jean-Guyhen Queyras in der Stadtkirche Liestal aufgeführt werden. Monighetti selber spielt zusammen mit Mischa Maisky romantische Sonaten von Chopin und César Franck. Zwei Konzerte sind dem 20. Jahrhundert gewidmet: Thomas Demenga und sein Celloensemble spielen Wyttenbach, Boulez, Barber und Demenga, und in der Sonntagsmatinee erklingen Cellostücke von Gubaidulina und Silvestrov.
Spagat wagen
Etwas Besonderes ist sicher der Auftritt des Rastrelli Cello Quartetts aus St. Petersburg, das von Barock bis Rock fast alles für seine Besetzung arrangiert. Zum Abschluss gibt es eine Überraschungs-Gala, in der sich die Festival-Cellisten noch einmal von ihrer besten Seite zeigen.
Monighetti wagt mit diesem Programm bewusst den Spagat zwischen den verschiedensten Klängen und Stilen: «Wir leben in einer Zeit, in der unsere traditionelle Kultur gefährdet ist, und wir müssen sie mit allen Mitteln schützen. Musik ist ja nicht blosse Unterhaltung, sie hat eine Botschaft, die Botschaft der Humanität. Das ist meine Überzeugung, und ich hoffe, dass wir mit «Viva Cello» zusätzlich zu unserem Stammpublikum ein neues, junges Publikum erreichen und ihm diese Botschaft vermitteln können.»