Festival: Rituale feiern
Das Musikkollegium Winterthur ehrt Igor Strawinsky. Am Festival «Le Grand Rituel» sind dessen Werke in überraschend passender Umgebung zu erleben.
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Kulturtipp 12/2022
Frank von Niederhäusern
Auf der Suche nach Unterstützung für seine revolutionär neuartige Musik landete Igor Strawinsky (1882–1971) immer wieder in Winterthur. Der dortige Mäzen Werner Reinhart sprach grosszügig Gelder, das Musikkollegium spielte seine Werke, er selbst gastierte dort mehrmals als Solist oder Dirigent. Keine Selbstverständlichkeit, denn Strawinskys Musik wurde in seinen Anfängen meist abgelehnt. Zwei seiner wichtigsten Werke konnte das Winterthurer Orches...
Auf der Suche nach Unterstützung für seine revolutionär neuartige Musik landete Igor Strawinsky (1882–1971) immer wieder in Winterthur. Der dortige Mäzen Werner Reinhart sprach grosszügig Gelder, das Musikkollegium spielte seine Werke, er selbst gastierte dort mehrmals als Solist oder Dirigent. Keine Selbstverständlichkeit, denn Strawinskys Musik wurde in seinen Anfängen meist abgelehnt. Zwei seiner wichtigsten Werke konnte das Winterthurer Orchester aber nie spielen, weil es sich die zusätzlich erforderlichen Musiker nicht leisten und den räumlichen Ansprüchen nicht genügen konnte.
Dieses Versäumnis holt das Musikkollegium nun mit einem Festival nach. «Le Grand Rituel» umfasst die Aufführungen der Kompositionen «L’Histoire du soldat» (1917) sowie der Ballettmusik «Le Sacre du printemps» (1913). Zu diesem epochalen Werk tanzen 80 Schülerinnen und Schüler. «Wir hatten schon länger den Wunsch, ein Community-Dance-Projekt mit jungen Menschen zu machen», erklärt Dominik Deuber, Direktor des Musikkollegiums Winterthur. «Der ‹Sacre› passt zu unserem Saisonschwerpunkt mit Werken von Strawinsky.»
Der ausreichend grosse Spielort fand sich in der «Halle 53». Die einstige Sulzer-Fabrikhalle passe als architektonischer Zeuge der Industrialisierung auch inhaltlich zum «Sacre» und dessen moderner Aufbruchstimmung, betont Deuber. Um dieses Projekt wuchs dann ein ganzes Festival. Eingebettet ist es in ein Programm, das den kulturellen Zeitgeist der 1920er- und 1930er-Jahre dokumentiert – mit Konzerten, einer Ausstellung sowie Filmvorführungen. Strawinskys musikalische Inspirationen erklingen in Form von Konzerten mit Tango, Jazz oder Roma-Musik. Das Kunstmuseum Winterthur / Beim Stadthaus zeigt die Ausstellung «Expressionisten, Kubisten und andere Wilde», im Kino Cameo sind die Spielfilme «Coco Chanel & Igor Strawinsky» und «La belle noiseuse» zu sehen. Der Festivalname leitet sich laut Deuber von dieser Erweiterung der klassischen Musik ab. «Le Grand Rituel bezieht sich einerseits auf die Rituale im ‹Sacre du printemps›, aber auch darauf, dass wir das ganze Festival als grosses Ritual zelebrieren.»
Le Grand Rituel
Sa, 4.6.–Sa, 18.6., Halle 53, Kino Cameo, Kunstmuseum Winterthur ZH
www.grandrituel.ch