Volumes kann man mit einem Schleckwarenladen vergleichen. Wer die Kunstbuchmesse in Zürich betritt, will auf einmal überall gleichzeitig sein: hier Post-karten mit feinen Bleistift-Illustrationen, da bunte Heftchen, dort ein Buch mit Fotocollagen. All diese Köstlichkeiten auf Papier, jede möchte man in die Hand nehmen, durchblättern, sich daran sattsehen, nein, überessen! Aber dafür ist Volumes ja auch da.
Ein Happening rund ums Produzieren
Seit 2013 bietet die unabhängige Messe Kleinverlagen, Künstlerinnen und Künstlern eine Plattform, um ihr Schaffen einem breiten Publikum zu präsentieren. Zwölf Aussteller nahmen an der ersten Ausgabe in einem alternativen Kulturlokal teil. Gut 80 werden es sein, wenn die sechste Auflage Ende November in der Kunsthalle Zürich beginnt. Heute ist Volumes eine Mischung aus Markt und Festival: An über 60 Tischen werden Bücher, Postkarten, Poster und selbst produzierte Magazine, sogenannte Zines, verkauft. Im Stockwerk darüber führen geladene Künstler Performances oder Workshops durch. «Uns war immer wichtig, dass Volumes nicht nur eine Buchmesse ist, sondern eine Art Happening rund ums Publizieren», sagt Gloria Wismer. Die Verlagsmitarbeiterin bildet zusammen mit der Kunsthistorikerin Patrizia Mazzei und der Künstlerin Anne-Laure Franchette den Kopf hinter dem Anlass.
Angetrieben werden die drei vom Geist der Independent-Szene. «Selber Arbeiten zu veröffentlichen, bedeutet, die Kontrolle über den Vertrieb und die Präsentation des eigenen Schaffens zu haben», sagt Anne-Laure Franchette. Niedrige Gebühren sollen möglichst viele aufstrebende Künstler und kleine Verlage anziehen. Gleichzeitig soll Volumes auch Buch- und Kunstinteressierte ansprechen. «Wir wollen das künstlerische Schaffen zugänglich machen», sagt Gloria Wismer. «Jeder und jede kann vorbeikommen und eines der Bücher in die Hand nehmen.»
Wie wichtig Volumes und ähnliche Messen sind, betont Christoph Oeschger. Der Fotograf gibt seit 2014 zusammen mit dem Künstler Christof Nüssli als Kleinverlag Cpress eigene und fremde Künstlerbücher heraus. «Hier können wir unsere Arbeiten zeigen und Bücher verkaufen.» Zuletzt erschien bei ihnen etwa «May 25 is now October 1» von Bardhi Haliti. Der kosovarische Grafiker kartografiert anhand von Zeitungsfotos von Sportanlässen die Geschichte sieben baugleicher Sporthallen in Kosovo – und reflektiert dabei vier Jahrzehnte politischer und gesellschaftlicher Veränderung. Oeschger sieht das Buch generell als wichtiges Arbeitsmedium: «Eine Ausstellung dauert im besten Fall drei Monate, dann ist sie eine Fussnote im Lebenslauf. Ein Buch ist aus Künstlersicht interessant, weil es langfristig Sichtbarkeit herstellt.»
Do it yourself – so lautet das Credo
Ums Sichtbarmachen geht es auch Lina Müller, die erstmals am Volumes ausstellen wird. Die Illustratorin aus Altdorf arbeitete schon für «Reportagen», das Magazin des Zürcher Opernhauses, und fürs «Süddeutsche Zeitung Magazin». «Als Illustratorin sitze ich meistens in meinem Atelier», sagt sie. An Messen wie Volumes schätze sie den Austausch mit anderen Künstlern und die Möglichkeit, gemeinsame Projekte andenken zu können. «Ich erhalte aber auch direkte Reaktionen von Menschen, die an meinen Stand kommen – ich sehe zum Beispiel, welche Arbeiten oft in die Hand genommen werden.» In Zürich präsentiert sie unter anderem eine neue Arbeit, die mit ihrem Partner, dem Illustrator Luca Schenardi, entstanden ist. Der Comic «Der Sturm aus Rio», eine Verdichtung von Bergunglücken, erschien zunächst im Comic-Magazin «Strapazin». Nun bringen Müller und Schenardi die Geschichte als selbst produziertes Heft heraus.
Do it yourself – diesen Ansatz verfolgen auch die Volumes-Macherinnen. Gloria Wismer, Anne-Laure Franchette und Patrizia Mazzei stecken jede Menge freiwillige Arbeit in ihr Non-Profit-Projekt. Diese Tatsache sorge immer wieder für Erstaunen, zumal Volumes zu einer fixen Grösse im Zürcher Kulturkalender geworden ist. Dennoch soll das Festival auf keinen Fall grösser werden. «Wir wollen nicht die nächste New York Art Book Fair sein», sagt Wismer und lacht. Denn schon jetzt müssten sie den einen oder anderen Spagat machen: Volumes soll Künstler-Plattform sein und gleichzeitig die Zürcher Szene repräsentieren. Somit war es unabdingbar, auch den einen oder anderen grossen Verlag zuzulassen. Auch soll die Messe interessantem Schaffen aus dem Ausland Raum bieten, ohne aber lokale Künstler zu vergraulen.
Neuerungen sind bereits angedacht
Es wird sich auf jeden Fall auch in Zukunft einiges tun bei Volumes. Der Anlass soll noch mehr zum generationenübergreifenden Anlass werden, weshalb es künftig mehr Kinder-Workshops und Führungen für Schülerinnen und Schüler geben soll.
Und dann ist da noch ein mittlerweile stattliches Archiv aus Büchern und Heften, die Künstler aus dem Ausland einsandten. Noch lagern diese Schätze aus den sogenannten International Open Calls bei Anne-Laure Franchette im Atelier. Künftig sollen diese Magazine, Gedicht- und Fotobände vermehrt in thematischen Ausstellungen «aktiviert» werden, wie sie sagt. Auch wenn das noch mehr Arbeit bedeuten würde: Die drei Frauen von Volumes werden eine Lösung finden.
Volumes 2019 – Art Publishing Days
Fr, 29.11.–So, 1.12.
Kunsthalle Zürich
www.volumeszurich.ch
Sechs Empfehlungen aus dem vielfältigen Angebot am Volumes
Bardhi Haliti
May 25 is now October 1
662 Seiten
32 Franken
(cpress 2019)
Anhand alter Zeitungsfotos und Bauplänen erforscht Bardhi Haliti die Geschichte sieben baugleicher Sporthallen in Kosovo – und somit auch gesellschaftliche Veränderungen.
Ruth Erdt
Liar Lügner
192 Seiten
52 Franken
(Kodoji 2019)
Die Fotografin Ruth Erdt hinterfragt mit ihren Bildern von Landschaften, Freunden und Fremden den Wahrheitsanspruch des Mediums Fotografie.
Shara Hughes
Portraits
16 Seiten
20 Franken
(Nieves 2019)
Künstlerinnenbuch mit den kräftig-bunten Traumlandschaften der US-amerikanischen Malerin Shara Hughes.
Lisa Hoever
Nomaden
112 Seiten
48 Franken
(Vexer Verlag 2019)
Das Buch verbindet die Aquarelle der Künstlerin Lisa Hoever mit Gedichten des Schriftstellers Michel Mettler.
Noëmi Lerch
Willkommen im Tal der Tränen
288 Seiten
29 Franken
(Verlag die Brotsuppe 2019)
Das Illustratorinnen-Duo Walter Wolff aus Baden bebildert die Erzählung der Schriftstellerin Noëmi Lerch über das entbehrungsreiche Leben auf der Alp.
Slap Me Baby
Zine #1
64 Seiten
12 Franken
www.slapmebaby.ch
Das Kollektiv Slap Me Baby befasst sich mit der Kleber-Kultur im öffentlichen Raum. So auch in ihrem ersten selbst gemachten Heft «Zine #1».