Wer beim Wandern ausladende Voralpenwiesen quert, sucht nach Wegmarken auf mächtigen Steinbrocken, hohen Tannenstämmen oder Zaunlatten. Oft sind die Wanderwege auch an Holzschöpfen markiert, die mitten in der Landschaft stehen und über deren Innenleben sich trefflich spintisieren lässt. Im Hochmoor des ausserrhodischen Gais stehen etliche solcher Bauten, die dem geschützten Sumpfgebiet den Flurnamen «Schopfe» eintrugen. Elf dieser Holzbauten sind demnächst für kurze Zeit zugänglich. Mehr noch: In ihrem Innern erwarten die Besucher kunstvolle Klanginstallationen.
Initiator Kessler wollte die leeren Schöpfe neu nutzen
Aus Fundstücken der näheren Umgebung hat Jan Vorisek etwa eine organische Assemblage gestaltet, die einen der Schöpfe mit unerhörten Klängen belebt. Der junge Zürcher hat sich auf die Kombination von Kunst und Musik spezialisiert. Der Wiener Georg Breinschmid zupft in der Regel den Kontrabass in wagemutigen Jazzbands und schrammeligen Salonorchestern. In Gais überrascht er erstmals mit einer «installativen Komposition». Victoria Vesna aus Kalifornien lehrt mit ihrer Künstlerinnengruppe Noise Aquarium Plankton mittels Tönen das Tanzen. Ähnlich Jacob Kirkegaard, der Vulkanerde oder Steinbrocken zum Klingen bringt. Nun wird auch der Däne einen Appenzeller Schopf beschallen. Insgesamt 20 Musikerinnen und Künstler reisen aus aller Welt nach Gais, um dem Festival Klang – Moor – Schopfe klingend Gestalt zu verleihen.
Eingeladen hat sie der Musiker Patrick Kessler, der in seinem internationalen Netzwerk nach Leuten Ausschau hielt, welche «die Hallen der Kunst verlassen und sich neu inspirieren lassen wollten». Der Kontrabassist lebt mit seiner Familie unweit der «Schopfe» und verwirklichte sich 2017 einen Traum. «Die Formen und Materialien der Schöpfe integrieren sich wunderbar in die Landschaft. Ihre leeren Räume wollte ich neu nutzen und so auch erhalten.» Sein Konzept fand sogleich Anklang, die erste Austragung von Klang – Moor – Schopfe wurde zum Erfolg.
Viel Beachtung für das kleine Gais
Zwei Jahre später werden zwei Schöpfe mehr bespielt. Kessler hat via Pro Helvetia mit ähnlichen Festivals in Rio de Janeiro, dem chilenischen Valparaíso und Genf zusammengespannt und auch Klangkünstler von dort eingeladen. «Das kleine Gais bekommt international viel beachteten Besuch», sagt Patrick Kessler stolz. Auch das Rahmenprogramm ist erweitert und umfasst Konzerte der teilnehmenden Musikerinnen und Musiker, Künstlergespräche, geführte Rundgänge oder Workshops für Kinder. Denn die Schöpfe sind laut Kessler geeignet für alle, deren Ohren «offen sind für überraschende Sounderfahrungen».
Es bleibt die Frage, weshalb das Festival nur kurze zehn Tage dauert. Der Zeitpunkt sei nicht frei wählbar, betont Patrick Kessler. Er müsse Rücksicht nehmen auf die landwirtschaftliche Nutzung des Moores sowie dessen Schutz. «Zudem», ergänzt er vielsagend, «soll das Festival klein bleiben.»
2. Audio-Festival
Klang – Moor – Schopfe
Fr, 30.8.–So, 8.9., 10.00–19.00 Hochmoor Gais AR
www.klangmoorschopfe.ch