Doppelkonzerte sind keine Seltenheit in der Klassikwelt. Am selben Abend gelangen zwei Werke zur Aufführung, die sich auf irgendeine Weise ergänzen. In der Basler Voltahalle erhält dieses Setting demnächst eine spezielle Würze. Ein Kammerensemble spielt kurze Werke, die nach Bach klingen oder Chopin, nach Messiaen oder Brahms. Die eine Hälfte dieser Adaptionen stammt von Menschen, die andere aus dem Computer. Das Publikum soll per Smartphone abstimmen, welche Musik welchen Ursprungs ist.
Diese musikalische Gameshow ist Teil des Interfinity Festivals und will einen niederschwelligen Zugang zur komplexen Thematik der Digitalisierung bieten. «Wir arbeiten mit dem Forschungsnetzwerk Responsible Digital Society der Uni Basel zusammen, das sich mit der Ethik von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz (KI) auseinandersetzt», sagt Lukas Loss, Gründer und künstlerischer Leiter von Interfinity. Vertreter dieses Netzwerks werden an der Gameshow auch Kurztexte zum Thema lesen.
Sinnlich und für ein breites Publikum
Lukas Loss, eigentlich Konzertpianist, ist zuversichtlich, dass sein interdisziplinärer Ansatz funktioniert. Letztes Jahr hat er ein ähnliches Projekt lanciert: «Tinguely Entangled» war eine Umsetzung von Quantenphysik in Musik und Lichtkunst.
Mit grossem Erfolg. Das Stück wurde mehrmals aufgeführt und reist diesen Sommer nach Japan. Lukas Loss erklärt sich diesen Erfolg mit der Kombination aus Niederschwelligkeit und Sinnlichkeit. Begonnen hat alles 2019, als der Basler Pianist eine Konzertreihe mit Kammermusik startete. Sie entwickelte sich und führte zu «Tinguely Entangled», aus dem nun das Interfinity Festival entstand.Der Musik ist Loss insofern treu geblieben, als sie die Seele des Festivals ausmacht – auf attraktiv vielfältige Weise.
Zum Auftakt ist Kammermusik von Dmitri Schostakowitsch zu hören. Dann holt der französische Star-Cembalist Pierre Hantaï Anlauf im Barock, um das Festival danach in die Gegenwart zu jagen. «God Is a DJ» heisst die Performancereihe um den legendären Club Nordstern. E-Gitarrist Yaron Deutsch wird mit Duopartnern und seinem Ensemble Nikel eine dreiteilige Technoreverenz gestalten.
Das vierköpfige Ensemble Nikel, 2023 für sein «Erforschen einer neuen Form der Kammermusik» mit dem Schweizer Musikpreis ausgezeichnet, ist am Festival mehrmals zu hören.
Musik, Referate und eine Lichtperformance
Nikel spielt auch die Uraufführung von «Claritas. Obscuritas» des österreichischen Komponisten Klaus Lang. Dieser hat die Vertonung des diesjährigen wissenschaftlichen Projekts mit dem Zentrum für Chronobiologie der Uni Basel über Licht und seine Auswirkungen auf Menschen geschaffen: Forscherinnen berichten über den Mond als Ursache für Ebbe und Flut, über die lebenswichtige Dosis Tageslicht oder den Zusammenhang von Licht und Architektur.
Musik und eine Lichtperformance begleiten die Referate. Interfinity findet an acht Spielstätten von Pauluskirche bis Gare du Nord statt. Ideen für 2025 seien bereits am Gedeihen, versichert der umtriebige Veranstalter.
Interfinity Festival
Do, 29.2.–Do, 21.3. div. Orte Basel
www.interfinity.ch
Drei Fragen an Lukas Loss
Sie sind Konzertpianist. Woher stammt Ihr Interesse an Künstlicher Intelligenz?
Mein Vater ist Physiker, weshalb ich früh mit diesen Themen in Berührung kam. Nach einem Konzert an einem Physikerkongress 2022 entstand die Idee, Musik und Physik zusammenzubringen. Daraus entwickelte sich das Projekt «Tinguely Entangled», das Grundlage von Interfinity ist.
Welches Publikum sprechen Sie mit Ihrem Festival an?
Wir wollen Wissenschaft durch Musik erlebbar machen.Ein immersiver Ansatz, der komplexe Themen wie KI für ein Laienpublikum verständlich machen soll – was bestens funktioniert. Letztes Jahr erschien ein Publikum von Jung bis Alt, vom Handwerker bis zur Uniprofessorin.
Warum setzen Sie musikalisch auf diese stilistische und historische Breite?
Das liegt an meinem persönlichen Interesse. Ich mag Musik vom Barock bis zur experimentellen Gegenwart. Dies kann ich im Festivalprogramm ausleben, indem ich Konzerte von Mozart bis Techno veranstalte, aber auch einen Männerchor aus Georgien einlade.