Einige berichten eher traditionell mit einem Themenspektrum der herkömmlichen Kanons, andere mit frischen Vermittlungsformen. Kulturmagazine im Fernsehen berücksichtigen in Kurzreportagen, Porträts, Besprechungen oder Interviews die gängigen Kunstformen und Sparten. Wenn es das Sendegefäss erlaubt, werden nicht nur Themen-Häppchen präsentiert. So kennen einige Formate lange Formen, seien es ausführliche Gespräche oder filmische Reportagen, die Zusammenhänge herstellen und Hintergründe beleuchten. Ein Phänomen ist vermehrt zu beobachten: Die Fernsehmagazine erweitern den oft engen Kulturbegriff sinnvoll und öffnen sich in der Themenwahl gegenüber Politik und Gesellschaft. Die meisten Sendungen sind in der Regel noch lange nach der Ausstrahlung in der jeweiligen Mediathek verfügbar. (hau)
aspekte
Der Sendungsname «aspekte» garantiert höchste kulturjournalistische Qualität – und dies seit Jahrzehnten. Mit Startjahr 1965 im ZDF gehört die Sendung zu den ältesten Kulturmagazinen im deutschen Fernsehen. «aspekte» war die allererste überregionale Kultursendung Deutschlands. Nach wie vor gehört sie zum Flaggschiff des Kulturjournalismus: Bei Interviews auf dem Sofa beweisen Katty Salié und Jo Schück in ihrer Doppelmoderation hochkarätigen Gästen gegenüber, selbst auf Englisch, während 45 Minuten Kompetenz in der live aufgezeichneten Sendung. Just in diesem Oktober wechselte «aspekte» das Konzept, ein Vorgang, der nicht zuletzt auch Corona geschuldet ist. In der jüngsten Vergangenheit erprobte man bereits die Variante «aspekte on tour». Das wird nun die Regel: «aspekte» geht raus und wird zum ausschliesslichen Reportageformat. Salié und Schück sind fortan unterwegs, präsentieren Themen und treffen Kulturschaffende und andere Gesprächsgäste an den unterschiedlichsten Plätzen. Der Kulturbegriff wurde bei «aspekte» immer schon breit verstanden: Gesellschaftliches, Politisches hat darin selbstverständlich Platz. Zum Ende der Sendung spielte jeweils eine Band live im Studio, ein zweiter Song wurde anschliessend ins Netz gestellt. Dort finden sich etwa exklusive mehrteilige Talks mit dem Ausnahmepianisten Igor Levit. Er war es auch, der für eine der Sternstunden in der Geschichte der Sendung sorgte: Am 23. Oktober 2015 setzte er sich gemeinsam mit dem komödiantischen Entertainer Chilly Gonzales an den Studio-Flügel. Man erinnert sich gern an etliche Fernseh-Highlights aus der jüngeren «aspekte»-Geschichte. Es wird sich weisen, wohin sich das neue Konzept entwickelt. Bisher darf man mit Fug und Recht zu «aspekte» sagen: Besser kann man es nicht machen. Neu ist seit Oktober, dass man nicht mehr extra lange aufbleiben muss: «aspekte» ist am Freitag jeweils ab 21 Uhr in der ZDF-Mediathek abrufbar. (hau)
www.zdf.de/kultur/aspekte
Nächste Sendung: Fr. 30.10., 23.05 ZDF
Kulturzeit
Soeben konnte die «Kulturzeit» ihren 25. Geburtstag feiern: Seit 1995 geht sie über den Sender als Dreiländer-Produktion, verantwortet von vier TV-Anstalten, werktäglich zur guten Zeit, grosszügige 40 Minuten lang. Das Moderationsteam wechselt sich im Wochentakt ab: Peter Schneeberger (ORF), Nina Mavis Brunner (SRF), Vivian Perkovic (ZDF) sind fest dabei, als Stellvertreterin amtet Cécile Schartmann. Der Sendeinhalt wird aus Beiträgen der drei Länderredaktionen zusammengestellt, ab und an kommen eigens produzierte Beiträge zur Ausstrahlung. Die Sendung kommt topaktuell daher, das heisst bei gegebenem Anlass: live. Als etwa am 12. Oktober die Gewinnerin des deutschen Buchpreises verkündet wurde, wurde in der Sendung ein wenige Minuten zuvor aufgezeichnetes Interview mit Preisträgerin Anne Weber gesendet. Gleich live zugeschaltet ins Studio wurde aus seinem Home-Office Literaturkritiker Hubert Winkels, der Profundes zum Siegerwerk «Annette, ein Heldinnenepos» zu sagen hatte. Die klassischen Feuilleton-Sparten von Ballett über Film und Theater bis Pop und Comics gehören zur «Kulturzeit» wie das Aufzeigen von Hintergründen. Zum Beispiel, wie realistisch die TV-Serie «4 Blocks» die Welt der kriminellen Vereinigungen in Berlin abbildet. (hau)
www.3sat.de/kultur/kulturzeit
Täglich von Mo–Fr, 19.20 3sat
Tracks
Es gibt wohl kaum einen Kellerclub, in den «Tracks» nicht hinuntersteigt, kaum eine abblätternde Ateliertür, an welche die Sendung nicht klopfen würde. Seit 1997 taucht das Kulturmagazin von Arte mit Genuss in die zeitgenössische Pop- und Gegenkultur ab. Einmal pro Woche berichtet das 30-minütige Format über elektronische Musik aus Marokko, Boot-Hippies auf New Yorks Flüssen oder schwarzem Feministinnen-Punk. Über Virtual-Reality-Kunst, alternde Metal-Legenden oder Güterzug-Surfer. Dabei widmet sich «Tracks» mit Vorliebe gesellschaftspolitischen Themen. Die Sendung überzeugt vor allem durch starke wie witzige Interviews. Ab und an würden die Einleitungen aus dem Off etwas mehr Fakten und Tiefgang vertragen. Dennoch: Selten macht es so viel Spass, ausgetretene Kultur-Pfade zu verlassen wie mit «Tracks». (sk)
www.arte.tv
Nächste Sendung: Fr, 30.10., 23.30 Arte
KulturMontag
Wenn die österreichische Satirikerin Lisa Eckhart in die Schlagzeilen gerät, sitzt sie kurz darauf beim Studiogespräch im «KulturMontag». Wenn Viktor Orbán die Unabhängigkeit der renommierten Kunst-Universität in Budapest infrage stellt, hakt ein ORF-Kulturjournalist bei Betroffenen vor Ort nach. Wenn die Comic-Serie «Peanuts» ein Jubiläum feiert, wird deren Star Snoopy als Philosoph porträtiert. Für die Macher des ORF-Magazins «KulturMontag» ist Kultur ein Lebensmittel. Entsprechend vielfältig, hintergründig und lustvoll ist ihre Berichterstattung. Das Magazin ist jeden Montagabend nach der «Zeit im Bild 2» zu sehen und hat viel Raum und Zeit. Als Erstes werden oft tagesaktuelle Kultur-Meldungen aufbereitet und kommentiert. Es folgen Reportagen und Live-Gespräche zu neuen Büchern und Filmen, zu Ausstellungen oder Opern-Inszenierungen in Wien und anderswo. Als letztes Sendungs-Element folgt eine ausgedehnte Dokumentation, ein Künstler-Porträt aus der Reihe «Orte der Kindheit» oder die Literatursendung «lesArt». Der «KulturMontag» wird von Clarissa Stadler oder ORF-Kulturchef Martin Traxl
moderiert. (fn)
https://tv.orf.at/kulturmontag/
Nächste Sendung: Mo, 26.10., 23.25 ORF 2
(Sondersendung zur Viennale)
Kunscht!
Das Einzugsgebiet des Südwestrundfunks in Stuttgart und Baden-Baden umfasst ein kulturell höchst aktives Gebiet. Entsprechend leistet sich der Sender ein wöchentliches Kulturmagazin am Donnerstagabend. «Kunscht!» kommt nicht nur im Sendetitel, der auf die süddeutschen Dialekte anspricht, verspielt daher. An sich konventionell gegliedert in vier bis fünf Themenschwerpunkte und eine Rubrik mit Kurztipps, sind die Beiträge optisch originell gestaltet und mit ausgesuchten Soundtracks unterlegt.
Die Sendung besucht neue Ausstellungen, Proben zu Theaterinszenierungen, trifft sich zu Interviews mit Filmregisseuren oder Autorinnen. Unter den vielen anstehenden Veranstaltungen werden auch solche aus den «Grenzgebieten» Bayern, Hessen oder der Schweiz berücksichtigt. Ariane Binder moderiert «Kunscht!» mit Elan und Pep. (fn)
www.kunscht.de
Nächste Sendung: Do, 5.11., 22.45 SWR
Twist
Hut ab vor Rein Wolfs, der selbst mitten im Tischtennis-Match noch konzise Interview-Antworten gibt. Dazu herausgefordert hat den Leiter des Stedelijk Museums in Amsterdam das Kulturmagazin «Twist» – der jüngste Spross von Arte. Seit August dieses Jahres läuft die 30-minütige Sendung jeweils sonntags. Moderiert wird sie abwechselnd von Bianca Hauda und Romy Strassenburg, die sich während des Corona-Lockdowns mit dem Format «culture@home» profilierten. Für «Twist» gastieren sie jedes Mal in einer anderen europäischen Stadt, welche als Bühne für das jeweilige Thema dient. Hauda moderiert etwa aus den Strassen und Bücherläden von Frankfurt, wenn es um die Macht der Bücher geht; Strassenburg von den Gassen Amsterdams und aus dem Stedelijk Museum, wenn der Tourismus thematisiert wird. Die Moderationen verleihen der Sendung Dynamik, ohne sie unruhig werden zu lassen. «Twist» überzeugt mit einer frischen Bildsprache und Ver-
spieltheit, mit spannenden Interviews und Tiefgang. Ja, die Sendung ist neu. Mit den alten Hasen kann sie es dennoch aufnehmen. (sk)
www.arte.tv
Nächste Sendung: So, 25.10., 17.10 Arte
kulturjournal
Der regionalen Kultur ist das «kulturjournal» des Norddeutschen Rundfunks verpflichtet. Die Region ist freilich gross und ergiebig genug, um mit Kulturthemen ein wöchentliches Magazin von 30 Minuten Länge zu bestreiten. Über das Regionale hinaus berücksichtigt das von Julia Westlake seit 2007 angenehm moderierte «kulturjournal» natürlich auch Internationales, wenn es um neue Filme oder Bücher geht. Die neue Autobiografie von Ralph Siegel, der 75 wurde, war etwa Anlass, den Hitfabrikanten («Ein bisschen Frieden») anschaulich zu porträtieren. Bei der Vorstellung des Romans «Johanns Bruder» von Stephan Lohse zu Adolf Eichmann in der niedersächsischen Provinz liess man den Buchautor an Originalschauplätzen Romantext-Blätter an Wände und Bäume pappen. Ein origineller Lokaltermin. Zum erweiterten Kulturbegriff gehören hier Themen wie Stadtplanung (Beispiel Lübeck) inklusive Gefahr des Buchladensterbens. Und «kulturjournal» geht auch unter die Leute: mit der Lesetour des NDR «Der Norden liest», einer Veranstaltungsreihe mit dem jeweiligen Buch des Monats. (hau)
www.wdr.de/kulturjournal
Nächste Sendung: Mo, 26.10., 22.45 WDR
ttt – titel thesen temperamente
Moderator Max Moor erlangte einst, als er noch Dieter Moor hiess, Kultstatus durch die ORF-Sendung «Kunststücke». Bei «ttt» ist der Schweizer Schauspieler das Aushängeschild, das jede seiner 30-minütigen Ausgaben in der Backstein-Glas-Studiodeko mit einem pointierten, bösen Aperçu unter der Überschrift «Schluss mit Moor!» beendet. Sein etwas allzu forcierter Formulierungsstil ist für manche gewöhnungsbedürftig; ansonsten bietet «ttt» solides Kulturfernsehen zur späten Stunde. Die Sendung ist ein wahres Urgestein. Am 4. Dezember 1967 startete «ttt» als erstes Kulturmagazin im ARD-Gemeinschaftsprogramm. Das ist bis heute so geblieben. Die einzelnen Sendungen werden redaktionell von sechs Rundfunkanstalten verantwortet: BR, HR, MDR, NDR, RBB und WDR. Kultur wird hier auch politisch verstanden. In den letzten Sendungen kamen unter anderem aufs Tapet: Trump und «Black Lives Matter», Klimawandel, ein Porträt der indonesischen Jugendbewegung «youthtopia» und Blicke auf weitere Aktionen, bei denen Junge aus aller Welt, statt nur zu demonstrieren, Konkretes schaffen. (hau)
www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt
Nächste Sendung: So, 25.10., 23.35 Das Erste
Westart
Der Sendungsname ist Programm: Hier geht es um das Kulturleben im Sendegebiet des Westdeutschen Rundfunks, also Nordrhein-Westfalen. Redaktionssitz ist Köln. Das Kulturmagazin «Westart» mit der überaus sympathischen Moderatorin Siham El-Maimouni kann sich einmal pro Woche eine halbe Stunde Zeit nehmen für einen bunten Kultur-Mix. Da wird etwa das von US-Stararchitekt Frank Gehry entworfene Museum Marta Herford besucht oder das weltweit einzigartige Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna. «Westart» geht gern hinaus in die Region, um Museen und andere Kulturstätten vorzustellen. Der Rest sind Kurzbeiträge zur Aktualität aus Literatur, Kunst, Film, Theater. Anna Mayrs Sachbucherstling zum Prekariat («Die Elenden») kam jüngst zur Sprache, ebenso wie der zweite Roman der aus dem Irak stammenden, im Ruhrgebiet lebenden Karosh Taha («Im Bauch der Königin»). Der Start zur dritten Staffel des TV-Ereignisses «Berlin Babylon» war der Sendung ebenfalls einen Beitrag wert. (hau)
www.west-art.de
Nächste Sendung: Sa, 24.10., 18.15 WDR
Kulturplatz
Es ist nicht einfach für SRF, mit dem Niveau der Kulturmagazine im Ausland mitzuhalten. Mit dem «Kulturplatz» am Mittwochabend nach «10vor10» hält es seit 2004 einen 35-minütigen Sendeplatz bereit, der – so das Konzept – wie das menschliche Auge in die Welt blicken soll. Dass die Kameraleute diesen Blickwinkel zuweilen etwas allzu wörtlich nehmen und so unruhig wie unscharf die Kulissen ausloten, kann nerven. Ebenso das Schaulaufen der Moderatorinnen Eva Wannenmacher und Nina Mavis Brunner, das wertvolle Sendezeit frisst. Originell dafür, dass der «Kulturplatz» ebenso gut in einem Kinofoyer stattfinden kann wie in einer Zirkusmanege. Solche Orte geben der Sendung die thematische Klammer, mit deren Hilfe die einzelnen Beiträge verknüpft werden. So lässt sich – wie kürzlich geschehen – vom Geburtshaus aus über Baby-Konzerte, Architektur und Mode berichten. Wenn dann noch die «Geburt» eines neuen Filmförderungsgesetzes zur Sprache kommt, wirkt das allerdings arg erzwungen. Es sind solch formale Unschärfen, die den «Kulturplatz» im internationalen Vergleich etwas abfallen lassen. (fn)
www.srf.ch/sendungen/kulturplatz/
Nächste Sendung: Mi, 28.10., 22.25 SRF 1