Dieser Mann ist wie gemacht für den Kontrabass. Gross, schlank und agil steht Fabian Gisler jeweils auf gleicher Höhe neben dem bauchigen Instrument und vollführt mit ihm bezaubernde Tänze. Nicht nur optisch sind seine Auftritte ein Genuss, sondern auch akustisch, weshalb Gisler schon in jungen Jahren bei der Kultband Kol Simcha spielte und später mit dem Trio Rusconi die Welt bereiste.
Aktuell beschäftigt ihn aber anderes: Mit der IG Musik Basel hat er eine Initiative lanciert, die das kulturelle Establishment am Rheinknie in Wallung versetzt. Die kantonale Musikförderung soll gerechter verteilt werden. «Heute bekommen die Institutionen 97 Prozent», sagt Gisler beim Cappuccino im Basler Multikultiquartier Gundeldingen. «Die restlichen 3 Prozent teilen sich Freischaffende verschiedener Stile.» Obwohl die Initiative nicht als fixe Vorlage, sondern als Anliegen formuliert ist, schürt sie etwa bei klassischen Orchestern Verlustängste. Doch Gisler betont: «Wir verlangen nur, dass die im Kulturfördergesetz postulierte Vielfalt realisiert wird.»
Dennoch ist dem Wahlbasler aus Zürich klar: «Es geht ums Tabuthema Geld, und wir regen strukturelle Änderungen an.» Was auch schon anderswo geschah. Noch nie aber ging eine Gruppe so weit wie nun in Basel. Gisler macht sich seit jeher Gedanken zum Wechselspiel von Kultur und Gesellschaft.
Erfolg dank der öffentlichen Hand
Mit dem Trio Rusconi profitierte er selbst von Kulturförderung und weiss: «Die meisten erfolgreichen Musiker in der Schweiz kamen nur so weit dank der öffentlichen Hand.» Erstaunlicherweise rede aber niemand darüber. Das liess ihn aktiv werden. Im Sommer 2019 kontaktierte er Gleichdenkende, und während des Lockdowns fand das Team Zeit, sich vertieft mit dem Thema auseinanderzusetzen. «Die Datenlage ist dürftig, darum haben wir zuerst Fakten gesammelt.» Parallel suchten sie das Gespräch mit Kollegen, Gegnern, dem Kanton.
Nun liegt der Initiativtext vor, und im März beginnen Fabian Gisler und die IG Musik Basel, die nötigen 3000 Unterschriften zu sammeln. «Wir freuen uns, dass das Thema nun diskutiert wird», sagt Gisler. Woher nimmt er eigentlich die Zeit für sein intensives politisches Engagement? «In den letzten zwei Jahren hatten wir alle genügend Zeit», lacht er etwas säuerlich. «Dieses Engagement hat verhindert, dass ich in ein Loch gefallen bin.» Untätig war er aber auch als Musiker nicht. Kürzlich sind zwei Alben erschienen, die er mit dem südafrikanischen Trompeter Feya Faku aufgenommen hat. Und die Perspektiven seien vielversprechend. «Es kommen wieder vermehrt Anfragen, was mich motiviert zum Üben und Spielen.» Denn eigentlich lebt Fabian Gisler ja für die Musik. «Deren Vielfalt aber ist nur möglich», lächelt er, «wenn es genügend Spielraum für alle gibt.»
Initiative für zeitgemässe Musikförderung
www.igmusikbasel.ch
Fabian Gislers Kulturtipps
Buch
Handbuch neue Schweiz (Hg. Institut Neue Schweiz 2021)
«Ein erhellendes Buch zu unserer vielfältigen Bevölkerung in der Schweiz – mit unterschiedlichen Stimmen zu verschiedenen Themen.»
LP/CD
Archie Shepp & Niels-Henning Ørsted-Pedersen: Looking At Bird (SteepleChase 1980)
«Mein erstes Vinyl, das ich mit 13 gekauft habe, und noch immer eine meiner Lieblingsplatten. Soul, Blues und Poesie mit zwei sehr unterschiedlichen Spielern und Charakteren. Kammerjazz vom Feinsten!»
TV
«Sternstunde Philosophie» mit Felix Lobrecht und Barbara Bleisch auf SRF 1
«Ein unterhaltsames, tiefgründiges Gespräch etwa zur Bedeutung der sozialen Herkunft.»
23.1.22: www.playsuisse.ch