Die junge und attraktive Zelda hat in ihrer Verzweiflung eine Überdosis Schlaftabletten geschluckt. Zusammen mit zwei Freunden versucht ihr Partner F. Scott Fitzgerald, seine Frau wachzuhalten, um sie zu retten. Sie tröpfeln ihr Olivenöl ein, um die Wirkung des Medikaments zu lindern. Doch Zelda wehrt sich mit Händen und Füssen. «Wer zu viel Öl trinkt, verwandelt sich in einen Juden.» Zelda überlebte dennoch.
Diese Episode soll sich im Sommer 1923 an der Côte d’Azur zugetragen haben. Die britische, in Österreich lebende Schriftstellerin Emily Walton erinnert in ihrer Erzählung «Der Sommer, in dem F. Scott Fitzgerald beinahe einen Kellner zersägte» daran. Die Autorin zerpflückt darin das verrückte Verhältnis zwischen dem Schriftsteller F. Scott Fitzgerald und dessen Ehefrau Zelda.
Folgen einer Affäre
Vor dem Selbstmordversuch gestand Zelda ihrem Mann eine Affäre mit einem französischen Fliegeroffizier. Die Affäre führte zu einem ernsthaften Zerwürfnis des Ehepaars. Sie wollte sich sogar scheiden lassen. Der Vorschlag kam Fitzgerald indes ungelegen, zumal er gerade mit seinem Roman «Der Grosse Gatsby» beschäftigt war und sich nicht um seine Frau kümmern mochte. So schloss er seine Angetraute kurzerhand in ihrer Villa in Juan-les-Pins bei Antibes ein, bis sie in seinen Augen wieder bei Sinnen war. War sie aber nicht, sondern unternahm den Selbstmordversuch.
Diese Episode im tollkühnen Leben der Zelda Fitzgerald (1900–1948) war ein erster Tiefpunkt in der Beziehung zwischen ihr und F. Scott Fitzgerald. Der damals 28-jährige Autor erkannte später, dass «etwas geschehen war, das nie wieder repariert werden konnte».
Umzug nach Frankreich
Scott brachte schliesslich «The Great Gatsby» heraus, sein heute berühmtestes Werk, das in den USA indes erst nach seinem Tod Beachtung fand. Besser lief der Verkauf dagegen in Grossbritannien, weil sich manche Briten die Amerikaner genau so dekadent vorstellten wie die Protagonisten Jay Gatsby und Daisy Buchanan. Diese Figuren waren literarisch nicht überhöht, wie die Biografie des Ehepaars Fitzgerald belegt.
Das It-Girl Zelda oder der «Flapper», wie die Spezies damals hiess, lernte 1918 in einem Army-Camp bei Montgomery den jungen Offizier F. Scott Fitzgerald kennen, der in den letzten Kriegsmonaten verzweifelt auf einen Einsatz in Frankreich hoffte. Bei einem Tanzanlass verfiel er ihr, ohne dass sie seine Gefühle zunächst erwiderte. Der Schriftsteller beschrieb die ersten Begegnungen mit Zelda in der berührenden Kurzgeschichte «Die letzte Schöne des Südens», die letztes Jahr im Band «Liebe in der Nacht» bei Diogenes neu erschienen ist.
In den frühen 20er-Jahren entdeckte das Ehepaar die Côte d’Azur und zog mit Tochter Scottie nach Juan-les-Pins. Die Gegend war damals weniger bekannt als heute, allerdings hatte eine Reihe von britischen und amerikanischen Schriftstellern ihren Reiz entdeckt – von Ernest Hemingway über Graham Greene bis zu William Somerset Maugham. Sie alle nutzten die landschaftliche Schönheit als Hintergrund, um dramatische Schicksale zu Papier zu bringen.
Zelda sehnte sich bei jedem Drink nach Abenteuern, die sie selbst zu inszenieren begann. So hatte sie die glänzende Idee, sich mit Scott nachts auf ein Eisenbahngleis zu legen, um zu sehen, ob unter rollenden Wagen ein Überleben möglich ist. Ins gleiche Kapitel gehörte, dass die beiden liegend auf der Strasse kuschelten, um zu prüfen, ob die Automobilisten tatsächlich anhalten oder sie überfahren. Nüchterne Einheimische retteten sie in beiden Fällen. Der Realitätsverlust reichte so weit, dass Scott in einem Restaurant beweisen wollte, dass sich ein zersägter Kellner zusammenflicken lasse. Das Opfer glaubte zuerst an einen Scherz und merkte erst, an Stühlen festgezurrt, wie ernst das Experiment war.
Inspirierende Küste
Scott hatte zudem die Angewohnheit, überall nach neuem Material für seine Romane zu suchen. Bei Einladungen fragte er die Gastgeber gerne nach der Häufigkeit des Beischlafs. Fiel die Antwort einsilbig oder gar unfreundlich aus, liess er das Interieur in Brüche gehen. Zelda fand diese ungewöhnlichen Manieren, in seltener Einmütigkeit mit ihrem Mann, nicht verwerflich – im Gegenteil. Denn sie schöpfte aus der Dauerparty an der Côte ebenfalls Inspirationen und schrieb. Zelda veröffentlichte Kurzgeschichten, oft unter dem Namen von Scott, weil sie sich so besser verkauften, wie etwa «The Ice Palace» oder «Jelly Bean». Später allerdings rechnete sie im autobiografischen, nicht übersetzten Roman «Save Me the Waltz» mit ihrer Ehe ab. Scott fühlte sich bestohlen, weil sie Material verwendete, das er in seinen Roman «Zärtlich ist die Nacht» verweben wollte, nämlich die Geschichte eines begüterten Paares aus ihrer Nachbarschaft an der Côte.
Tragischer Tod
Zu Beginn der 30er zeigte Zelda geistige Verwirrung. Sie kam gegen ihren Willen in die Klinik Valmont bei Montreux, wo sie jegliche Betreuung verweigerte. Daraufhin folgte eine monatelange Einweisung in ein Sanatorium in Prangins bei Nyon, wo damals führende Schweizer Psychiater wie Oscar Louis Forel sie betreuten. Deren Diagnose lautete: Schizophrenie. Die Ärzte erreichten ihre therapeutischen Ziele nicht. Zurück in den USA, hörte Zelda die Stimmen von Jesus Christus, Maria Stuart und Wilhelm dem Eroberer. Ihr Ende war so grotesk wie ihr Leben. Sie starb 1948 beim Brand einer Klinik in Asheville, North Carolina, mit 47 Jahren, weil ihre Zimmertüre verschlossen war. Dies acht Jahre nach ihrem Mann, der 1940 im Alkohol ertrank.
Emily Waltons Buch basiert auf ausgedehnten biografischen Recherchen, ist aber als Erzählung konzipiert.
Buch
Emily Walton
«Der Sommer, in dem F. Scott Fitzgerald beinahe einen Kellner zersägte»
167 Seiten
(Braumüller 2016).