Eva Wannenmacher - Meine Kulturwoche
Inhalt
Kulturtipp 11/2012
Letzte Aktualisierung:
15.11.2013
Eva Wannenmacher
«Donnerstagabends habe ich ein Ritual. Ich kann kaum warten, bis die Kinder im Bett sind, dann heisst es: Beine ausgestreckt und «Die Zeit» geschnappt. Die grosse Zeitung aus dem Norden hab ich mir im Abo zum Geburtstag gewünscht. Ich verbuddle mich richtiggehend in den einzelnen Teilen, tauche ab und falte nach und nach die riesigen Zeitungsseiten auf handgerechte Grösse. Das Rascheln gefällt mir fast so gut wie der Inhalt. Am Ende liegt eine Art Origami nebe...
«Donnerstagabends habe ich ein Ritual. Ich kann kaum warten, bis die Kinder im Bett sind, dann heisst es: Beine ausgestreckt und «Die Zeit» geschnappt. Die grosse Zeitung aus dem Norden hab ich mir im Abo zum Geburtstag gewünscht. Ich verbuddle mich richtiggehend in den einzelnen Teilen, tauche ab und falte nach und nach die riesigen Zeitungsseiten auf handgerechte Grösse. Das Rascheln gefällt mir fast so gut wie der Inhalt. Am Ende liegt eine Art Origami neben dem Bett, jeder Bund ein Knäuel, durchgearbeitet. Zeit für eine neue Zeit. Falls dann noch nicht Donnerstag ist, gibt es zum Glück Bücher. Mit ihnen baue ich mir kleine Fluchten aus dem Alltag. Meine liebsten Fluchthelfer sind vier Schriftstellerinnen, zu denen ich neben den Freunden auf der Bestsellerliste immer wieder zurückkehre: Die US-amerikanische Schriftstellerin Joan Didion, deren zweites Meisterwerk «Blaue Stunden» zum Thema Trauer eben auf Deutsch erschienen ist. Stark ist auch ihr Buch «Das Jahr des magischen Denkens». Dann Siri Hustvedt, Nicole Krauss oder Ilma Rakusa. Diese Frauen schreiben Bücher, wie Hunderte andere. Aber was sie schreiben, ist für mich nicht nur Literatur, sondern so etwas wie heimkommen.
Ich versinke auch gerne in den neurotisch witzigen Geschichten von Julie Delpy. Die Französin ist nicht nur eine gute Schauspielerin, sondern auch eine furiose Regisseurin und Drehbuchautorin. Ihr Film «2 Days in Paris» war urkomisch, Woody Allen könnte getrost in Pension gehen. Nun kommt «2 Days in New York» in die Kinos, und ich freue mich auf das Wiedersehen mit einer leicht überdrehten, liebenswerten Frau und ihrer Geschichte.
In der Kunstwelt lasse ich mich gerne auf den Mikrokosmos von Urs Fischer ein, der jetzt in der neuen Ausstellung «Deftig Barock» im Zürcher Kunsthaus zu sehen ist. Seine Ideen faszinieren mich, etwa seine vergänglichen Kerzen-Kunstwerke an der Biennale von Venedig letztes Jahr. Mit Urs Fischer fühle ich mich irgendwie verbunden, da er damals bei TeleZüri, als ich als Moderatorin begann, so was wie der Gango im Studio war. Und heute ist er ein Superstar.
An der Art Basel mag ich das Schaulaufen der Menschen mit Kunstverstand und grossem Portemonnaie, diese diskrete Aufregung, diese champagnergekühlte Gier nach Kunst. Ein grandioses Theater.
Der Beginn des Sommers steht dann für mich im Zeichen der Olympischen Spiele, denn ja, auch diese haben etwas mit Kultur zu tun. Die Engländer nutzen die Gunst der Stunde für zahlreiche Kulturevents. Wir drehen ein «Kulturplatz extra» aus London. Und dabei schlagen wir einen kühnen Bogen vom Dramatiker William Shakespeare bis zum Avantgarde-Künstler Damien Hirst.