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Wo findet der Mensch Kraft und Zuversicht in schwierigen Zeiten? Wann spürt er seine Lebendigkeit und Sinnlichkeit? Was vermag er den Widrigkeiten der Welt entgegenzusetzen? Die deutsche Kulturjournalistin Gabriele von Arnim ist überzeugt, dass die Schönheit einen Teil dazu beitragen kann.
«Schönheit kommt in vielen Hüllen und Facetten daher. In der Seele, in Gemälden, Geigenklängen und Amselgesängen, in Architektur und Körpern, in Skulpturen, in der Liebe und in Freundschaften, in kunstvoll gedrehten Schneckenhäusern, in Worten und Sätzen …», schreibt sie in ihrem langen Essay «Der Trost der Schönheit».
Mit allen Sinnen sehen und staunen
Auf sehr persönliche Weise umkreist die Autorin all diese Facetten, behält aber stets das Allgemeinmenschliche im Blick. Sie selbst ist in der emotionalen Kälte einer Bankiersfamilie aufgewachsen und musste sich erst bewusst werden, dass die Schönheit keine «überflüssige Dekoration des Lebens» ist.
«Der Trost der Schönheit ist vielleicht Eskapismus, ist aber ganz gewiss auch notwendiger Selbsterhalt», schreibt die 77-Jährige und lädt dazu ein, mit allen Sinnen zu sehen, zu staunen und zu entdecken. «Manche Menschen spüren den Regen, andere werden einfach nur nass», bringt es der zitierte Bob Marley auf den Punkt. Gabriele von Arnims Buch ist aber mehr als blosser Achtsamkeits-Ratgeber, es berührt durch poetische Sprache und überraschende Einsichten.
Immer wieder geht sie auch auf die Ambivalenz ein, auf die schwer aushaltbare Gleichzeitigkeit von Schönheit und Grauen. Steht es dem Menschen zu, Schönheit zu zelebrieren, wenn in anderen Ländern der Krieg tobt? Diese Frage zieht sich durch ihren Essay, als müsste sich die Autorin immer wieder rechtfertigen, dass sie dieses Buch schreibt. «Weder Kälte noch Dunkelheit können das Bedürfnis nach Kunst und Schönheit bremsen», hat die ukrainische Pianistin Marta Kusij dazu gesagt. Und auch von Arnim ist überzeugt: «Schönheit ist lebensnotwendig.»
Köhlmeier und die Schönheit der Künste
Während Gabriele von Arnim Alltagserlebnisse und Erinnerungen mit Kunst- und Naturbetrachtungen verbindet, fokussiert der österreichische Autor Michael Köhlmeier im Band «Das Schöne – 59 Begeisterungen» ganz auf die Schönheit der Künste. Er scheut sich in seinen Kurzessays nicht, zu schwärmen – von Hamlet über Hemingway, von den Grimm’schen Hausmärchen bis zu Bob Dylans «Mr. Tambourine Man».
«Warum sind wir gut und schön, besser und schöner, interessant und sexy, interessanter und begehrenswerter, wenn wir uns begeistern?», fragt er. Seine mitreissenden und scharfsinnigen Essays über Literatur oder Musik machen Lust auf die Originalwerke. Dazwischen streut er allgemeine Betrachtungen ein, etwa zur kulturellen Aneignung, die 2023 für hitzige Debatten sorgte und die er mit leisem Witz und kritischer Selbstbefragung aus der Sicht des «alten weissen Mannes» beschreibt.
Wie Gabriele von Arnim findet Michael Köhlmeier das Schöne unter anderem in der Kunst. «Kunst, Literatur, Musik, Theater sprechen nicht zum Menschen im Allgemeinen, sondern zu jedem einzelnen – und das heisst: zu mir. (...) Ich entdecke in König Lear, dem alten verzweifelt Liebenden, mich selbst; (....) aus Mozarts Musik weht mir Unerhörtes aus meiner Seele entgegen.» So regen die Autoren dazu an, die Schönheit in den kleinen Dingen des Alltags genauso wie in den grossen Künsten zu finden – und geben damit tatsächlich Trost in unsteten Zeiten.
Ein bisschen Pathos darf sein. Oder wie Köhlmeier sagt: «Ich habe nichts gegen Pathos, wenn es einem wahren Gefühl entspringt.»
Bücher
Gabriele von Arnim
Der Trost der Schönheit – Eine Suche
224 Seiten
(Rowohlt 2023)
Michael Köhlmeier
Das Schöne – 59 Begeisterungen
240 Seiten
(Hanser 2023)
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