Essay-band: Der einheimische Fremde
Der Band «Die Eule über dem Rhein» versammelt Hansjörg Schneiders schönste Kolumnen und Erinnerungen – kritisch, humorvoll, berührend.
Inhalt
Kulturtipp 25/2021
Babina Cathomen
Voller Nostalgie, aber auch mit kritischem Blick schaut Hansjörg Schneider (*1938) zurück auf eine Welt, die es so nicht mehr gibt: Er erzählt von einer Zeit, als es noch eine Vielfalt an Apfelsorten gab und die Äpfel noch nicht «wie ein Coiffeursalon» schmeckten. Von einer Zeit, in der es kein Plastik gab, in der an der Primarschule Schläge ausgeteilt wurden und das Telefon mit Wählscheibe und Hörgabel jahrzehntelang seinen Dienst tat, ohne...
Voller Nostalgie, aber auch mit kritischem Blick schaut Hansjörg Schneider (*1938) zurück auf eine Welt, die es so nicht mehr gibt: Er erzählt von einer Zeit, als es noch eine Vielfalt an Apfelsorten gab und die Äpfel noch nicht «wie ein Coiffeursalon» schmeckten. Von einer Zeit, in der es kein Plastik gab, in der an der Primarschule Schläge ausgeteilt wurden und das Telefon mit Wählscheibe und Hörgabel jahrzehntelang seinen Dienst tat, ohne zu bocken wie der neue Router. Mal mit sprühendem Humor, mal melancholisch teilt der Schriftsteller, der unter anderem mit seinen Hunkeler-Krimis bekannt wurde, seine Gedanken zu den letzten acht Jahrzehnten mit der Leserschaft. Besonders berührend und persönlich ist sein einziger Mundart-Text «Mi Muetter»: «Si het es Liecht azündt i mir, das lüüchtet no hött», schreibt er. Im Gegensatz zum Vater und seinen Lehrern, die prügelnd auf ihrem Recht beharrten, hat sie ihm Vertrauen ins Leben mitgegeben.
Nebst den Erinnerungstexten der letzten 20 Jahre versammelt der Band auch Kolumnen, die Schneider zwischen 2015 und 2017 für die «Basler Zeitung» geschrieben hat. Seit über 50 Jahren lebt der Aargauer in Basel und Umgebung und hat sich bei aller Liebe doch auch einen kritischen Aussenblick bewahrt.
«Ich brauche zum Schreiben die Distanz»
Mit seiner «Ode an den Rhein» oder dem titelgebenden Text «Die Eule über dem Rhein» zeichnet er wunderbare Stadtporträts. Liebevoll ironisch erzählt er von einer Stadt, die sich nie richtig eingeschweizert hat und die hauptsächlich in der Fasnachtszeit mit «ihren kunstvoll gepfefferten Spottversen» von sich reden macht. Er selbst bleibe auch nach 50 Jahren ein Fremder, stellt er fest und sieht indes auch die Vorteile: «Man lässt mich in Ruhe, so dass ich mich vogelfrei fühle. Das schafft die Distanz, die ich zum Schreiben brauche.» Von diesen literarischen Preziosen wird man hoffentlich noch viel lesen können.
Buch
Hansjörg Schneider
Die Eule über dem Rhein
288 Seiten
(Diogenes 2021)