kulturtipp: Dieter Kaegi, wann sind Sie als Theaterdirektor zufrieden?
Dieter Kaegi: Ich bin glücklich, wenn sich das Publikum für eine Produktion ebenso begeistert wie ich. Das ist nicht selbstverständlich, denn der Direktor beurteilt einen Theaterabend nicht immer nach denselben Kriterien wie sein Publikum.
Reden wir vom Publikum.
Es herrscht ein Kampf um das Publikum in der Konkurrenz zum übrigen Angebot. Wir müssen auch schauen, dass junge Leute ans Theater herangeführt werden, dabei sind wir auf die Politik und die Medien angewiesen. Dieses Problem hat man erkannt, es gibt Förderstellen, die diese Vermittlung unterstützen.
Beim Geld reden Sie nicht von einem Kampf?
Ich würde eher von Verhandlungen ums Geld sprechen. Es gibt Kampfmassnahmen ums Publikum, um die Strategien. Beim Geld muss man vorsichtiger an die Sache herangehen: Da sind lange Gespräche nötig, viele Erklärungen. Und Qualität.
In Biel ist die Abschaffung des eigenen Orchesters ein Dauerthema. Hört beim Geld die Liebe der Region zum Theater auf?
Nicht in Solothurn, hier erhielten wir riesige Unterstützung aus der Bevölkerung und vom Stadtpräsidenten beim 20-Millionen-Umbau des Theaters. Aber das ist keine Garantie für immer. Politiker können ihre Meinung ändern.
Verhilft der Kleinstadtbonus zu einem Vorteil im Kampf um die Sponsoren?
Das bringt kleine Vorteile und grosse Nachteile. Sie finden viele kleine Firmen, die sich engagieren. Aber die grossen Banken investieren ihr Geld in Zürich oder am Lucerne Festival, Swatch vielleicht in Shanghai. Da sind wir leider ein zu kleiner Player. Ich versuche dennoch immer wieder zu erklären, dass es eine Verantwortung für die Region gibt. Immerhin haben wir eine schöne Zusammenarbeit mit Rolex: Deren Mitarbeiter kommen verbilligt zu Karten. Und wie uns die privaten Leute, der Freundeskreis in Solothurn, unterstützen, ist einzigartig. Das hat etwas mit der Grösse der Stadt zu tun.
Luzerns einstige Theaterdirektorin Barbara Mundel konnte Kritiken aus der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» ins Theater-Foyer hängen. Haben Sie lieber die «Solothurner Zeitung» als die «FAZ» im Haus?
Die lokale Presse ist das A und O. Auch wenn es schön ist, wenn mal die FAZ oder die NZZ vorbeikommt. Für uns sind jedoch die «Berner Zeitung» und der «Bund» wichtig.
Gibt es ein Echo aus der Romandie?
Ein Neuenburger geht wohl eher nach Paris oder Genf ins Theater, als dass er 15 Minuten zu uns fährt. Aber auch der Zürcher reist eher nach Stuttgart als nach Genf in die Oper.
Sie haben an vielen bedeutenden Sommerfestivals gearbeitet, tun es nach wie vor im irischen Lismore. Beeinflusst der Festspielsommer das Denken des Theaterdirektors?
Ich bin sehr dankbar, dass wir durch das renovierte Solothurner Theater etwas Festspielstimmung in dieses Haus holen. An einem Festival entdeckt man dauernd Neues. Aber Sie haben recht, wir müssen das Theater bisweilen neu gestalten: Der Besuch muss eine Gesamterfahrung sein. Ein Abend in einem Klostergarten ist etwas anderes als in einem Theater.
Festival heisst auch: Mehr aufs Publikum schauen!
Ich bin im Verwaltungsrat der Thuner Seespiele, wo wir diese Diskussion immer wieder führen. Man muss aufs Publikum schauen, da wir keine Subventionen bekommen. Da zählt jede verkaufte Karte.
Wie weit darf man im subventionierten Betrieb das Publikum vergessen?
Man muss immer aufs Publikum schauen. Aber wir haben den Auftrag, zeitgenössische Kunst aufzuführen. Ich will als Kulturschaffender das Publikum nicht nur unterhalten, sondern auch fordern. Das gehört zum subventionierten Theater. Darum kann man es nicht auf dieselbe Stufe wie die Sommerproduktionen stellen.
Der politische Druck, dass die Theater voll sein müssen, ist gestiegen.
Der Druck wächst, ganz klar. Es gibt bei uns Theaterleuten viele Bedenken, dass wir die Eigenständigkeit verlieren.
Sie sitzen im Theater nahe beim Publikum.
Es ist mir wichtig, mich als Publikum zu fühlen. Ich sehe, was den Zuschauer im schlechten Sinn irritiert. Aber ich kann mich auch ungemein freuen, kann ergriffen sein und heftig lachen!
Dieter Kägi
Der Theaterdirektor wurde 1957 in Zürich geboren, wo er Musikwissenschaften studierte. 1980 begann er als Regieassistent am Opernhaus in Zürich. 1982 war er als Regieassistent von Jean-Pierre Ponnelle in ganz Europa und in den USA tätig. Ab 1988 wirkte er als Produktionsleiter bei den Musikfestspielen in Aix-en-Provence. Von 1998 bis 2011 leitete er die Opera Ireland in Dublin, zudem inszenierte er weltweit. Seit August 2012 leitet er das kleinste der «grossen» subventionierten Theater der Schweiz, das Theater Biel Solothurn.
La Tragédie de Carmen
Von Peter Brook, nach Georges Bizet, Regie: Dieter Kaegi
Ab Fr, 20.3., 19.30 Stadttheater Biel
Ab Fr, 27.3., 19.30 Stadttheater Solothurn