«Du bist für mich eine richtige Frau. Sehr feminin. Und natürlich.» Was der Death-Metal-Fan Dirk als Kompliment versteht, bekommt seine neue mexikanische Freundin in den falschen Hals. «Dirk, so was sagen Sextouristen in Tijuana», sagt sie. «Denkst du, du bist in Disneyland? Und ich Pocahontas? Wirst du mir später auch noch erklären, wie ich mich richtig emanzipieren soll?»
Vom Minenfeld der Kommunikation zwischen Mann und Frau bis zum sexuellen Übergriff: Julia Kohli deckt in ihren sieben «Short Storys» die ganze Bandbreite an Geschlechterkonflikten ab. Das regt bei harmlosen Missverständnissen zuweilen zum Schmunzeln an, schnell verebbt aber das Lachen, wenn die Stimmung in Aggression und Frauenhass kippt.
Abwechselnd aus Männer- und Frauensicht
So leuchtet sie etwa direkt hinein in das Hirn des Wutbürgers Urs mit seiner kruden Logik, der seine ganze Frustration an einer Prostituierten und später an einer unbekannten jungen Frau im Tram auslässt. Beide Frauen wissen sich allerdings zu wehren, und so nimmt Urs’ Geschichte eine überraschende Wendung …
Mit bissigem Humor, scharfer Beobachtungsgabe und entlarvenden Sprachbildern erzählt die 43-jährige Winterthurer Autorin und Journalistin Julia Kohli abwechselnd aus Männer- und Frauensicht. Und von einer patriarchalen Welt, in der unterschiedliche Männer-Typen ihr Unwesen treiben: vom grabschenden Flugpassagier bis zum Dozenten, der seine Studentinnen an der Kunstakademie als «Trullas» und «Hexen» bezeichnet, weil sie sich gegen seinen selbstbeweihräuchernden Unterricht wehren. Gemeinsam ist allen Männerfiguren die Unsicherheit im Um-gang mit Frauen und die stete Selbstvergewisserung, zum «starken Geschlecht» zu gehören und sich darum sehr vieles erlauben zu können. Der uneinsichtige Dozent Kurt etwa gibt sich angesichts der «drei Walküren», die ihn zum Gespräch aufgefordert haben, zwar rebellisch. Schliesslich sitzt er aber in einer ziemlich komischen Szene «röchelnd, keuchend, schnaufend wie ein angeschossener Eber» vor ihnen.
All die emanzipierten, differenziert denkenden und weltoffenen Männer, die sich starke Frauen an ihrer Seite wünschen, kommen in Julia Kohlis Geschichten nicht vor. Am ehesten fällt Pierre – Journalist, Möchtegern-Franzose und Gatte einer bekannten Professorin – in diese Kategorie. Ihm blüht jedoch ebenfalls ein bitteres Ende …
Buch
Julia Kohli
Menschen wie Dirk – Short Storys
173 Seiten
(Lenos 2021)