Erzählband: Klischees auf den Kopf gestellt
Die englische Autorin Helen Simpson umkreist in ihrem neuen Erzählband «Nächste Station» das Leben um die 50 mit viel Selbstironie.
Ob Gleitsichtbrille, Wechseljahre oder leicht aus der Form geratene Körper: Die Frauen in Helen Simpsons neuem Erzählband nehmen es meist mit Humor. Die Kinder sind erwachsen, die Karriere ist gefestigt, und sie haben wieder Zeit, sich um ihre eigenen Bedürfnisse zu kümmern. Die Nebenerscheinungen des Älterwerdens treten zwar zutage, aber dafür haben sich nach turbulenten Jahren eine gewisse Gelassenheit und Lebensweisheit eingestellt. Und die...
Ob Gleitsichtbrille, Wechseljahre oder leicht aus der Form geratene Körper: Die Frauen in Helen Simpsons neuem Erzählband nehmen es meist mit Humor. Die Kinder sind erwachsen, die Karriere ist gefestigt, und sie haben wieder Zeit, sich um ihre eigenen Bedürfnisse zu kümmern. Die Nebenerscheinungen des Älterwerdens treten zwar zutage, aber dafür haben sich nach turbulenten Jahren eine gewisse Gelassenheit und Lebensweisheit eingestellt. Und die Energie, etwas Neues anzupacken, ist noch immer da.
In ihren neun Geschichten, die alle nach Orten benannt sind, erzählt die 59-jährige in London lebende Autorin Helen Simpson aus dem Leben gut situierter Mittfünfzigerinnen. Nebst munterer Selbstironie schwingt eine gewissse Melancholie mit, wenn ihre Figuren Bilanz ziehen: Scheidungen und Affären haben ihre Spuren hinterlassen. Da ist zum Beispiel Tracey in der längsten Erzählung «Berlin». Mit ihrem Mann Adam und einer Reisegruppe sieht sie sich Wagners «Ring»-Zyklus in voller Länge an: Nebst Gedanken zu den mal ermüdenden, mal euphorisierenden Opern schweift sie immer wieder ab zu ihrer Beziehung, die festzustecken scheint. Besonders in der Nacht tauchen die «Quälgeister» auf und lassen verpasste Chancen und schmerzliche Ereignisse Revue passieren. «Ich bin froh, dass ich durchgehalten habe. Aber noch mal möchte ich das nicht mitmachen», seufzt Adam nach dem Opernmarathon. Tracey entgegnet trocken: «Ziemlich genau so geht es mir mit der Ehe.»
Starke Frauenfiguren stehen im Zentrum von Simpsons Geschichten, während die Männer hinter der zur Schau gestellten Stärke oft etwas flügellahm erscheinen. Mit hintergründigem Witz hinterfragt die Autorin auch Rollenklischees. Zuweilen rutscht dies ins Plakative ab. Etwa in der Erzählung «Erewhon», in der sie konsequent alle Klischees umkehrt und einen Mann alle Sorgen und Ängste durchleben lässt, die sonst den Frauen zugeschrieben werden.
Buch
Helen Simpson
Nächste Station
208 Seiten
(Kein & Aber 2018)