Der Fabrikant Silvestro setzt zum cleveren Seitensprung an. Eine Geschäftsreise nach Israel mit der Geliebten ist sorgfältig eingefädelt. Nichts kann schiefgehen, zumal die beiden schon zuvor ein heimliches Schäferstündchen unentdeckt genossen haben. Doch kaum in Tel Aviv angekommen, läuft alles aus dem Ruder. Unerklärlich viel Pech in kurzer Zeit – da muss wohl der Teufel die Hand im Spiel gehabt haben.
Manches ist an den Haaren herbeigezogen
«Der Teufel, natürlich» heisst auch Andrea Camilleris Band, in dem diese Erzählskizze erschienen ist. Der italienische Schriftsteller, der diesen Sommer im Alter von 93 Jahren in Rom verstorben ist, machte sich mit seinem Commissario Montalbano einen Namen: Der sizilianische Ermittler sorgt unerschrocken, aber stets mit menschlicher Nachsicht für Gerechtigkeit. Dabei erliegt er immer wieder den Verlockungen der Liebe, denn der Wille ist stark, aber das Fleisch ist schwach. «Die Form des Wassers» erschien 1994 als erster Montalbano-Krimi auf Deutsch, «Das Bild der Pyramide» als 22. und vorläufig letzter. Ein halbes Dutzend weiterer Bücher wartet noch auf die Übersetzung.
Camilleri, ein politisch engagierter Zeitgenosse, begann seine Laufbahn als Theaterregisseur und veröffentlichte Ende der 1960er-Jahre seinen ersten Roman. Während Jahrzehnten gehörte er zu den wichtigen und kritischen Stimmen Italiens. Nördlich der Alpen nahm man ihn jedoch nur mit seinen Montalbano-Romanen wahr.
Seine 33 Prosa-Skizzen sind von unterschiedlicher Qualität: Einzelne beruhen auf genialen Ideen, und man bedauert, dass Camilleri sie nicht zu einem Roman ausbaute. Andere erscheinen ziemlich an den Haaren herbeigezogen, glücklicherweise blieb es bei den wenigen Seiten.
Brillant ist die Geschichte eines Philosophen, der des Mordes angeklagt ist. Schriftlich will er den Gerichtsvorsitzenden von seiner Unschuld überzeugen. Zwar sprechen sämtliche Indizien gegen ihn, aber nichts ist, wie es erscheint. Dieser Erkenntnis liegen ja tatsächlich etliche philosophische Ansätze zugrunde. Die Leser lernen somit, wie vielschichtig die Wahrheit ist.
Camilleri trifft den Geist der Zeit
Überblättern lässt sich hingegen die Skizze des Biedermanns Giulio Dalmazzo, der durch einen unheimlichen Zufall mit seiner Jugendliebe in Kontakt kommt und in eine existenzielle Krise stürzt. Der Teufel vermag ja vieles, aber alles ist auch dem Leibhaftigen nicht zuzutrauen.
Camilleri beherrscht die Kunst der kurzen Form. Er kann Handlungsstränge in knappen Sätzen zusammenfassen. Die Charakterisierung einer Geliebten als «Prachtkörper ohne Gehirn» wird allerdings kaum alle Leserinnen gleichermassen ansprechen. Trotz Männergehabe trifft Camilleri in einigen Kurzgeschichten den Geist der Zeit. In der ersten Geschichte schildert er etwa die Willkür bei der Vergabe des Literaturnobelpreises. Auch in dieser Domäne hat der Teufel regelmässig die Hände im Spiel, wie die Kontroversen der letzten Jahre gezeigt haben.
Buch
Andrea Camilleri
Der Teufel, natürlich
Aus dem Italienischen von Annette Kopetzki
171 Seiten
(Nagel & Kimche 2019)