Ganz der Alte. Wer Erwin Schrott auf Facebook eine Freundschaftsanfrage schickt, erhält postwendend per Messenger eine persönliche Standard-Antwort: Der Starbariton bedankt sich für die Freundschaftsanfrage. Es sei ihm ein Vergnügen, in Kontakt zu bleiben, aber man solle ihn doch auf Instagram folgen, da er nicht so oft auf Facebook sei. «Lieber Erwin», möchte man ihm am liebsten antworten, «das machen wir nicht, da uns Worte – gesprochen oder gesungen – wichtiger sind als Bilder.»
Publikumswirksame Selbstinszenierung
Zum 1972 geborenen Bassbariton Erwin Schrott passt die Narzissten-Plattform Instagram bestens. Kaum ein anderer Opernsänger – Tenor Roberto Alagna und Sopranistin Anna Netrebko ausgenommen – steht lieber vor einer Kamera als Erwin Schrott, keiner inszeniert sich besser, keiner zeigte sich auf der Opernbühne öfter mit nacktem Oberkörper. Der Uruguayer weiss nur zu gut um seine Wirkung. Dass man ihm den Stolz anmerkt, schmälert allerdings sein Tun.
Kaum hatte er den Operalia-Wettbewerb 1998 gewonnen, breiteten ihm die Weltbühnen den roten Teppich aus. Und kaum im Rampenlicht, war klar: Erwin Schrott belebt die bisweilen starre Opernszene ungemein. Da war endlich mal einer, der auch die lustige Seite des Lebens liebt: Ein Witz ist bei ihm ein Schlag auf die Pauke – wenn andere sanft lächeln, grinst er breit. Diese Charakterzüge übertrugen sich bei ihm bisweilen aufs Singen. Aber müsste einer, bevor er auf der Opernbühne das Kalb macht, seine Arien nicht bis ins Detail beherrschen? Die Diktion, die Sprache, das Silbenspiel, das Formen der musikalischen Linien? Schrott machte oft erst die physische Grimasse und versuchte dann, sich akustisch zu artikulieren. Zu selten wuchs bei ihm ein Witz aus dem Spiel mit den Worten, den Silben. So sind seine Auftritte bisweilen wie Fernsehen: viel Tamtam, übergross die Gesten, aber erwartbar die Emotionen.
Doch wenn ein Dirigent seine Spiellust bändigen oder in die richtigen Bahnen lenken konnte, dann zeigte Schrott durchaus grossartige Leistungen. 2003 bejubelte man ihn: Damals im Dezember hatte ihn Dirigent Riccardo Muti drei Tage vor der Premiere gefragt, ob er die Saisoneröffnung an der Mailänder Scala singen würde. Nach diesem Triumph war es ihm egal, dass er alsbald mit einem «Komma» leben musste: Erwin Schrott «Komma», Vater von Anna Netrebkos Kind, hiess es nun. Halb genoss er es, halb merkte er, dass es ihm schaden würde. Doch in Interviews behauptete er damals, dass es ihn einen Dreck kümmere, was die Medien über ihn und Anna schreiben. Le-ben und Bühne verschmolzen. Schrott machte alles mit – halb mit Kalkül, halb aus Naivität. Seine Plattenfirma durfte gar mit dem Slogan «Die Oper ist Schrott-reif» werben.
Gefragt, welche Rolle nicht zu seiner Stimme passen würde, er aber am liebsten singen würde, sagte er: «Am liebsten die Königin der Nacht, auf jeden Fall. Krass, zerschmetterndes Glas mit hohen Noten, und sie sollte auch funkelnde Kleider tragen und bezaubernde Kopfbedeckungen, das würde mir wirklich passen!»
Zwischenhalt in Basel und La Chaux-de-Fonds
Bei all den kleinen Sticheleien: Schrott hat sich auf den Weltbühnen gehalten, auch an die Mailänder Scala kehrt er bald wieder zurück. Vorher geht er aber als Titelheld in Mozarts «Don Giovanni» mit dem Kammerorchester Basel auf Tournee. Erfreulicherweise gastiert man zwischen Auftritten in der Elbphilharmonie Hamburg oder Paris auch in Basel und La Chaux-de-Fonds.
Der Chilene Christian Senn wird den Diener Leporello singen und somit eine Art Alter Ego der von Schrott verkörperten Titelfigur werden. Als Leporello erlebte Schrott 2008 sein Debüt bei den Salzburger Festspielen. Aber wie so viele grosse Leporellos (und das war er!) drängte auch Schrott in die Titelrolle und verkörperte den Verführer alsbald noch so gerne. Gespannt darf man sein, wie sich Schrott in der konzertanten Aufführung schlagen wird – der Oberkörper wird dann mit Sicherheit bedeckt bleiben, die Stimme hingegen wird im Konzertsaal ohne Bühnenzauber entblösst sein.
Hochkarätige Musikabende
Die Jubiläumssaison – 125 Jahre Société de Musique de La Chaux-de-Fonds – mag vorbei sein, aber wie «Don Giovanni» mit Erwin Schrott zeigt, bietet man auch in der 126. Saison spannende Abende. Klavierpoet Grigori Sokolow, der an jedem seiner Rezitals intime Klavier-Bekenntnisse preisgibt, tritt im März in der Salle de Musique auf, Nelson Freire wird ihm folgen. Schon im Februar sind dort Sol Gabetta und der Pianist und Hammerklavierkünstler Kristian Bezuidenhout zu erleben. Die Saison beenden wird der Gitarrist Pablo Sáinz Villegas, der 2018 eine CD mit Tenorlegende und Bariton Plácido Domingo aufgenommen hat.
Société de Musique La Chaux-de-Fonds
Bis Fr, 10.5.
www.musiquecdf.ch
Konzerte
W.A. Mozart: Don Giovanni
Di, 8.1., 19.30 Salle de Musique
La Chaux-de-Fonds NE
Fr, 11.1., 19.30 Martinskirche Basel
CD
Erwin Schrott
Arias
(Sony 2012)
DVD
Mozart
Don Giovanni
Festspielhaus Baden-Baden
175 Minuten
(Sony 2013)