Der heute unbekannte Musiker Carl Attenhofer war im vorletzten Jahrhundert eine Koryphäe: Der Dirigent trug den klangvollen Titel «Universitätsmusikdirektor» und erhielt den Ehrendoktor der Uni Zürich.
Der deutsche Künstler Ernst Würtenberger hat ihn porträtiert. Der Musiker schaut den Betrachter auf dem Bild leicht skeptisch an, als könne ihm keiner mehr etwas vormachen. Ganz anders das Porträt von Karolina Schönenberger, der Ehefrau des Malers. Sie blickt bescheiden, fast ausdruckslos nach unten, als würde sie sich in eine Demutsgeste flüchten.
Trotz den Unterschieden haben die Bilder etwas gemeinsam: Der Maler konzentrierte sich nur auf die Menschen, nichts lenkt von ihren Gesichtern ab. Die beiden Porträts stammen aus einem neuen Bildband zu zwei Ausstellungen in der Bodenseeregion.
Von Vallotton und Hodler beeinflusst
Ernst Würtenberger (1868–1934) kam 1902 nach Zürich, wo er es schnell in die angesehenen Kreise des Bürgertums schaffte, dessen Exponenten er gegen gutes Geld malte. Während Jahren amtete er zudem als Vorstandsmitglied der Zürcher Kunstgesellschaft, wo er die Kontakte für seine Aufträge fand.
Würtenberger war ein Konservativer. Er war zwar in Paris auf der Suche, «für das Bildnis eine neue Form zu finden», wie er im Bildband zitiert wird. Aber er fand dort keine Offenbarung, obgleich die Moderne damals die Pariser Kunstszene bestimmte: «So hatte ich mich, obgleich ich ausgezogen war, die moderne Malerei zu finden, wiederum den alten Meistern verschrieben», hielt er fest.
Würtenberger hinterliess ein beeindruckendes Œuvre. Neben Menschen malte er Landschaften, Genrebilder und entwarf Holzschnitte. Dabei liess er sich von Zeitgenossen beeinflussen. Sei es vom gebürtigen Lausanner Félix Vallotton mit seinen Holzschnitten oder von Ferdinand Hodlers Landschaftsbildern.
Bei all seiner Schaffenskraft fand Würtenberger viel Zeit zum Streiten mit der Moderne.
Grosser Kritiker der Avantgarde
Die avantgardistischen Expressionisten hatte der Maler im Visier. Die Kunst habe mit dieser Entwicklung «jeden Zusammenhang mit dem Volkstümlichen verloren, indem sie nur den Reichen diene und fast ganz dem in Kunstdingen gewissenlose spekulierenden Parvenü anheim fiel», schrieb er in seinem Buch «Zeichnung, Holzschnitt und Illustration». Freunde schuf sich Würtenberger mit solchen Anfeindungen in den Sammlerkreisen nicht. Es kam zu Zerwürfnissen mit aufgeklärten Kunstliebhabern wie den Hahnlosers in Winterthur. Die Berufung als Dozent aus Karlsruhe kam ihm da 1921 genau richtig, um der Schweiz Adieu zu sagen.
Ausstellungen
Bis So, 1.4. Städtische Wessenberg-Galerie Konstanz (D)
Bis So, 6.5. Hesse Museum Gaienhofen (D)
Buch
Barbara Stark (Hg.)
Ein deutscher Maler in der Schweiz
238 Seiten
(Nimbus 2017)