Eitelkeit, Eifersucht und Einfalt – das sind die herausragenden Eigenschaften, welche die englische Schriftstellerin Jane Austen (1775–1817) bei ihren Mitmenschen ausmachte. Sie verarbeitete ihre gesellschaftlichen Beobachtungen mit literarischer Raffinesse in Büchern, wie etwa im Briefroman «Lady Susan», einem ihrer
ersten Werke. Der US-amerikanische Filmregisseur Whit Stillman hat nun die Geschichte um die intrigante
Witwe Lady Susan Vernon in einem wunderschönen Kostümfilm umgesetzt.
Gesellschaftliche Unsicherheit
Ende des 18. Jahrhunderts findet sich der englische Kleinadel in einer verzwickten Lage. In Frankreich
herrschen die radikalen Revolutionäre, deren Schreckensregime auf die Insel übergreifen könnte. Die US-amerikanischen Kolonien sind verloren, die Staaten etablieren sich als eine ernst zu nehmende Konkurrenz auf der
Weltbühne.
Vor diesem Hintergrund gesellschaftlicher Unsicherheiten spielt der Kinofilm «Love & Friendship». Die mittellose Lady Susan Vernon erkennt, dass ihre besten Tage langsam verblassen. Höchste Zeit, ihre eigene Zukunft und
die ihrer berückend schönen Tochter Frederica mit einer gute Partie abzusichern. Sie peilt den attraktiven Reginald De Courcy auf dem Landgut ihrer Schwester an. Der junge Mann darf auf ein ansehnliches Erbe hoffen, bietet
sich als Opfer der Begierde von Lady Susan geradezu an. Ihre nahezu ehrlich gemeinte Aufmerksamkeit
schmeichelt ihm sehr, weniger jedoch seinem Vater, der den Sohn vor einer Liaison mit einer «Lady with a past», einer «Dame mit Vergangenheit», schützen will. Denn Lady Susan ist nicht einfach Witwe, sondern eine lustige Witwe – oder steht zumindest in diesem Ruf.
Daraus ergeben sich zahlreiche witzige Verwicklungen, bis sich schliesslich alles zum Guten wandelt. Lady Susan «has her piece of cake and eats it», wie es heisst, oder auf gut Mundart: Sie will den «Fünfer und sWeggli».
Im Film «Love & Friendship» haben herrliche Charaktere ihren Auftritt, die Jane Austens literarischen Vorgaben sehr nahe kommen. Da ist einmal Kate Beckinsale, die Lady Susan wunderbar intrigant spielt: Als Zuschauer wähnt man sich laufend im Dilemma, ist diese Frau zu hassen oder zu lieben?
Kammerspielartig mit hervorragenden Dialogen
Neben ihr spielt Justin Edwards den köstlichen Sir Charles, ein Abgrund männlicher Dummheit, wie ihn nur eine Jane Austen erfinden konnte. Und da ist Morfydd Clark als junge Frederica, die das etwas naive Girlie spielt, das aber erstaunlich genau weiss, was es will.
Jane Austens Romane eignen sich perfekt zur Verfilmung. Sie erzählte ihre Geschichten linear und erfasste
dank ihrer unerbittlichen Beobachtungsgabe Charakteren messerscharf. «Love & Friendship» ist im Gegensatz zur
Verfilmung von «Stolz und Vorurteil» von Joe Wright mit Keira Knightley ein Kostümfilm von bescheidenem
Aufwand. Fast kammerspielartig treten die Akteure in den spätbarocken Interieurs auf. Das tut dem Vergnügen keinen Abbruch, es erlaubt dem Zuschauer vielmehr, sich auf die Dialoge zu konzentrieren, und diese sind hervorragend – voller Witz, unterschwelliger Boshaftigkeit und verdrängter Sexualität.
Love & Friendship
Regie: Whit Stillman
Ab Do, 29.12., im KinO