Aller guten Dinge sind drei. Das offenbarte schon die Bibel mit den drei Königen, das Drama mit seinen drei Akten oder das Märchen samt den drei Haselnüssen für Aschenbrödel. Und: Das zeigt auch die Musik. Denn nur im Trio kommen drei Instrumente in der besonderen Konstellation von Ensemble und Solo zusammen – schliesslich ist jedes von ihnen nur einmal vertreten.
Beim jungen Schweizer Equilibris Klaviertrio tönt das dann so: Die Geige singt sich zart in die Höhe, umspielt von sonorem Celloton. Wenn das Klavier einsetzt, öffnet sich das Zwiegespräch zu musikalischer Weite – getragen vom Miteinander der Instrumente. Inniges verbindet sich mit Grosszügigem in Brahms’ Klaviertrio op. 101, Zartes mit Wärme, Graziles mit Klangfülle – und Simon Wieners Geige mit Anna Abbühls Cello sowie mit Igor Andreevs Klavier. Es ist Musizieren im perfekten Gleichgewicht. Genaud das ist Programm beim vor einem Jahr gegründeten Ensemble.
«Equilibrium heisst Balance», erklärt der Pianist Igor Andreev in einem Berner Café, nahe der Hochschule, wo er eine Stelle als Korrepetitor hat. «Aber ein Äquilibrist ist auch ein Seiltänzer im Zirkus. Diese Mehrdeutigkeit im Namen hat uns gefallen. Bei virtuosen Stücken müssen wir ähnlich viel Vertrauen haben wie Artisten. Sonst haben wir schon verloren.»
Immer auf der Suche nach dem gemeinsamen Nenner
Ohnehin diskutierten sie gerne zu dritt und suchten so nach dem gemeinsamen Nenner, erzählt Andreev. «Zum Schluss sind es ja gerade diese Konflikte, die einen weiterbringen», ist der 30-Jährige überzeugt. Ein bisschen so wie in der Schweiz, wo viele verschiedene Meinungen nebeneinanderstehen können, funktioniere es auch in ihrem Kammermusikensemble: «Anna hat im besten Sinn des Wortes eine reine Leidenschaft für Musik. Simon ist eher der intellektuelle Typ, er komponiert selbst und ist der philosophischste von uns dreien. Und ich bin durch meine Arbeit als Korrepetitor erfahren darin, mich auf andere einzulassen», schildert er die Dynamik des Trios – und fährt fort: «Es ist etwas vom Wichtigsten, dass wir uns alle wirklich aufeinander einlassen.»
Denn man habe selber musikalisch umso mehr zu sagen, je besser man begleiten könne. Das habe der russische Starpianist Grigory Sokolov einmal gesagt. Der Satz sei zur Philosophie ihres Ensembles geworden. «Man muss die Ideen der anderen wirklich mitdenken und mittragen, um sich dazu eine Meinung bilden zu können.»
Die Früchte ihrer Arbeit ernten
Das perfekte Gleichgewicht ist also auch eine Frage der Offenheit. Und wenn das Trio am 31. März das Festival Interlaken Classics eröffnet, werden die Früchte dieses gemeinsamen Sich-Einlassens zu hören sein – in Johannes Brahms’ op. 101 genauso wie in Ludwig van Beethovens Klaviertrio op. 1, Nr. 3 (c-Moll) sowie in Maurice Ravels Klaviertrio in a-Moll.
In diesem 1914 entstandenen Werk des französischen Komponisten werden die drei jungen Musiker rhythmische Verschiebungen und feine Akzente unerwartet wie kleine Irrlichter aufscheinen lassen. Doch dass hier verschiedene Metren aufeinandertreffen, wird man keineswegs dem Zusammenspiel der drei anmerken, sondern viel mehr an den eigenen Ohren, die beim Zuhören womöglich kaum mit den Musikerfingern mithalten können.
Darauf angesprochen, dass Interlaken Classics mit dem Slogan «Meet Tomorrow’s Classic Stars» wirbt, gibt sich der Pianist des Trios bescheiden. Aber tatsächlich sei es die Regel, dass man als junger Musiker um Konzertaufträge kämpfen müsse. Nicht so mit ihrem Trio. Da hätten sie gleich von Anfang an zahlreiche Anfragen gehabt: «Es ging wie von selbst, eines hat das andere ergeben», das bereite ihnen viel Freude, erzählt Igor Andreev.
Seit letztem Sommer treffen sich die drei projektweise zu «sehr intensiven Probewochen». Denn der Wunsch nach CD-Aufnahmen stehe genauso im Raum wie die Teilnahme an Wettbewerben. Und auch in Sachen Engagements tut sich einiges: Nach Interlaken Classics geht es im August ans Musikzelt Festival in Freiburg im Breisgau, im Herbst nach Zypern und im Dezember nach St. Petersburg, an das weltweit einzige Klaviertrio-Festival, bei dem Igor Andreev als gebürtiger Russe auch Mitorganisator ist.
Nach Interlaken gehts erst richtig los
Das junge Ensemble hat also einiges vor. Dass es bisher mit seinen Auftritten auf durchwegs positive Resonanz gestossen sei, gäbe ihnen ein gutes Gefühl in diesem manchmal seltsamen Metier als Musiker. Gerade neulich hat das Trio vor einem Konzert darüber diskutiert, dass ein Skirennfahrer während der Abfahrt seine Gefühle unterdrücken müsse, um körperliche Präzision zu erreichen. In der Musik sei das komplexer: «Da muss man einerseits die körperliche Kontrolle haben und andererseits gleichzeitig Gefühle zulassen», gibt Igor Andreev zu bedenken – und muss dann selber ein wenig lachen: «Eigentlich verrückt.»
Das Stelldichein der Stars von morgen
«Meet Tomorrow’s Classic Stars» heisst das Motto des Musikfestivals Interlaken Classics. Tatsächlich treten hier junge, aufstrebende Solisten auf. Das Herzstück des Festivals bildet aber die Residenz des Zakhar Bron Festival Orchestras um den legendären Geigenprofessor Zakhar Bron und seine Studenten aus dem In- und Ausland. Das Orchester wird nach einer zehntägigen Probephase drei Sinfoniekonzerte spielen.
Die Höhepunkte
Sa, 13.4.: Schuberts 8. Sinfonie C-Dur «Die Grosse» mit dem Zakhar Bron Festival Orchestra und Mendelssohns e-Moll-Violinkonzert mit der jungen Schweizer Geigerin Elea Nick.
- Do, 18.4.: Beethovens 5. Sinfonie in c-Moll sowie das Klavierkonzert Nr. 1 in b-Moll von Pjotr Iljitsch Tschaikowsky mit der deutsch-russischen Pianistin Olga Scheps.
- So, 21.4.: Zum Abschluss begleitet das Zakhar Bron Festival Orchestra die jüngsten Solisten des Festivals: Teo Gertler (10) und Alma Deutscher (13) in Instrumentalkonzerten von Mozart und Alma Deutscher.
Konzerte
Equilibris Klaviertrio
So, 31.3., 17.00
Dorfkirche Grindelwald BE
Eintritt: Fr. 30.–/Erwachsene Fr. 15.–/Kinder/Jugendl.
Reservation: 033 821 21 15
Interlaken Classics
So, 31.3.–So, 21.4.