Schweizer Kunsthäuser bieten unter dem spröden Titel «Kunstvermittlung» zahlreiche Angebote für Kinder: Etwa das Kindermuseum Creaviva des Zentrums Paul Klee in Bern. Beim Familienmorgen am Sonntag können sich Eltern und Kinder im Zentrum inspirieren lassen und selber künstlerisch tätig sein. Im «Offenen Atelier» wandelt der Nachwuchs auf den Spuren Klees und erstellt unter professioneller Anleitung eigene Kunstwerke. Ganz im Sinn von Pablo Picasso: «Als Kind ist jeder ein Künstler. Die Schwierigkeit liegt darin, als Erwachsener einer zu bleiben.»
Auch Teenager kommen im Creaviva auf ihre Kosten. Sie können bei «CreaTIV» eigene Ideen in animierte Bilder umsetzen und ihre Arbeiten auf YouTube präsentieren. «Bei uns leben sich Kinder, Jugendliche und ganze Familien kreativ aus», sagt Manuela Zeiter von Creaviva im Zentrum Paul Klee. «Kopf, Hand und Herz sind gefordert.»
Umstrittene Pädagogik
Kunstvermittlung für die Kleinen ist allerdings umstrittener, als man denkt: Die Anhänger des betagten Pariser Kunstpädagogen Arno Stern halten gar nichts von künstlerischer Didaktik. Im Gegenteil, sie lehnen sie radikal ab. Ein Kind soll aus sich selbst heraus kreativ tätig sein, jeder Einfluss von aussen wird als schädlich taxiert.
Ein anderer kritischer Ansatz zielt auf das künstlerische Verständnis in jungen Jahren: Der skandalumwitterte englische Künstler Jake Chapman bezeichnete unlängst Eltern als «arrogant», wenn diese ernsthaft glaubten, ihre Sprösslinge könnten Jackson Pollock oder Mark Rothko verstehen. Kinder, so Chapman, hätten im Museum nichts verloren. Ein Besuch dort sei Zeitverschwendung. Wie viel dieser Aussage des dreifachen Familienvaters ernst gemeint und was reine Provokation war, sei dahingestellt. Proteste von Museen und Galerien liessen jedenfalls nicht lange auf sich warten. Geben sich diese doch mehrheitlich grosse Mühe, schon bei den Kleinsten aktives Interesse an bildender Kunst zu wecken.
Für Gross und Klein
Im vom Migros Kulturprozent geförderten Projekt «Gim – Generationen im Museum» bieten rund 30 Schweizer Museen generationsübergreifende Kunsterlebnisse an. So nimmt im Zürcher Haus Konstruktiv eine Kunstvermittlerin Kinder in Begleitung Erwachsener mit auf eine «Kunst-Expedition». Gemeinsam werden Kunstwerke angeschaut, besprochen, es wird gezeichnet und gebastelt. Auch das Kunsthaus Zürich setzt mit seinem «Geschichtenwald» auf den generationsübergreifenden Dialog. Teilnehmen dürfen nur Besuchs-Paare mit einem Altersunterschied von mindestens 15 Jahren. So entstehen verschiedene Interpretationen, die – in unterhaltsame Geschichten verpackt – allen Teilnehmern ein Kunsterlebnis bescheren.
Im Gegensatz dazu begegnet die Sammlung Rosengart in Luzern Kindern auf Augenhöhe. Unter dem Motto «Kinder führen Kinder» erklären Primarschüler gleichaltrigen Kindern ihre Lieblingsexponate. Der Rundgang, der explizit ohne Erwachsene stattfindet, dauert eine Stunde. Wer danach Lust auf mehr hat, kann sich an der Kasse einen «(B)Suech-Sack» abholen und mit dessen Inhalt – Bildausschnitte, Rätsel – eine Entdeckungstour durch das Museum unternehmen.
Einige Museen halten auch Angebote für Vorschulkinder bereit. So können Eltern im Kunsthaus Zürich in Ruhe Kunst geniessen, während die Kinder im «Malatelier am Sonntag» kreativ tätig sind. Das Aargauer Kunsthaus kümmert sich sogar um die Windelklasse unter vier Jahren. Einmal im Monat entspannen sich hier «Kunst-Eltern» auf einem geführten Rundgang. Die Kleinen finden im Atelier kreative Unterhaltung. Geschwister ab fünf Jahren begeben sich derweil auf die «Kunst-Pirsch».
Audioguides, die für Erwachsene in grösseren Kunsthäusern üblich sind, werden immer häufiger für Kinder und Jugendliche angeboten. So hält das Kunsthaus Zürich für Schüler ab 7 Jahren 40 deutsch-französische «Young Guides» bereit. In insgesamt 90 Minuten wird Wissenswertes über rund 60 Gemälde und Skulpturen vom Mittelalter bis in die Gegenwart vermittelt. Auch in der Sammlung Oskar Reinhart «Am Römerholz» in Winterthur erklärt seit diesem Sommer ein akkustischer Führer den kleinen Kunstfreunden ab 6 Jahren ausgewählte Exponate.
Partys zum Geburtstag
Viele Museen haben Workshops im Programm, bei denen die Kleinen Hand anlegen können. Wer sich für ferne Kulturen und Länder interessiert, findet im Zürcher Museum Rietberg Ideen. So kann man in einem Atelierraum seine eigenen Zinnfiguren giessen. Im Kunstraum Baden geht es mit Holz, Farben, Gips oder Draht zur Sache. Auch im Museum Tinguely in Basel können sich Kinder mit verschiedenen Materialien selbst verwirklichen.
Beliebt sind auch Geburtstage: So können im Aargauer Kunsthaus Kinder ab 5 Jahren ihren Geburtstag feiern und eigene Farben herstellen oder mit Recyclingmaterial basteln. Unter dem Titel «Kunst & Kuchen» führt auch das Creaviva im Museum Klee Geburtstagspartys durch. Kunsthäuser mit ähnlichen Angeboten: CentrePasquArt, Kunstmuseum Thurgau oder Museum Tinguely.
Fast alle Veranstaltungen bedürfen einer Anmeldung, da die Anzahl der Plätze meist begrenzt ist. Für Kinder, die selber entscheiden wollen, welche Ausstellung sie besuchen möchten, empfiehlt sich die Website www.museumslupe.ch. Hier stehen mehr als 100 kinderfreundliche Museen zum Stöbern bereit.