Endo Anaconda, elegant gekleidet, mit schwarzem Hut, nimmt Platz im Restaurant in der Berner Agglo. Er hat eine strenge Probe hinter sich, ist hungrig. «Einen Gemüseteller bitte.» Das ist ein wenig auch dem Alterszucker zuliebe. Genauso wie die Übungen im Fitness-Studio. Gesundheitlich geht es ihm wieder gut. Von seinem Unfall mit der gebrochenen Kniescheibe hat er sich erholt. Trotzdem: «Ende 2021 ist Schluss. Ich weiss nicht, ob ich nachher noch auf- oder abtrete.»
«Pfadfinder» soll die letzte durchgetaktete Tour mit einer Band sein. Der Stille Has hat sich ein paar Mal neu erfunden, das ist sein Wesen. «Ich bin ein Mensch, der mit Sachen aufhören kann. Auch auf die Gefahr hin, dass es nicht gut kommt.» Vielleicht wechsle er nach 2021 in die Kleinkunst, «dort sitzen sie auf Stühlen und können erst in der Pause flüchten», frohlockt er. Sicher ist: «Ich mag nicht als Rocktrottel in den Orchestergraben fallen.»
Vorerst ist er gespannt, wie das «Pfadfinder»-Programm ankommen wird. Man weiss ja nie. Die letzte Tour war äusserst erfolgreich. Nervös ist er trotzdem. Und schlägt dem Journalisten auch mal einen verbalen Haken in die Fresse, weil dieser «so dumme Fragen» stellt. «Soll ich denn eine Revolution starten? Was fragst du mich, was zu tun sei angesichts von Klimawandel und anderen Katastrophen? Weisst du es?» Entweder gelinge es, sozial und ökologisch das Steuer herumzureissen, «oder die Zivilisation geht zugrunde», konstatiert Endo. Er versuche, im kleinen Rahmen mit dem persönlichen Konsumverhalten dem Desaster Rechnung zu tragen. «Jede Form von Protest ist okay, aber keine Gewalt.» Das Parlament würde er mit einem wissenschaftlichen Beirat ergänzen und die Lobbyisten rausschmeissen. Denn sie wissen, was sie nicht tun.
Und die Kultur? «Ich habe 32 Jahre lang versucht, erfolglos Pop zu machen.» Er hätte auch Abwart sein können, sagt er. «Aber ich würde genau das Gleiche wieder machen. Ich kann nichts anderes, ich liebe es.» Dass es nach wie vor Leute gibt, die ausgehen und Kultur konsumieren, macht ihn demütig. «Vor einem Auftritt darf man zweifeln, aber auf der Bühne nicht. Das bist du den Leuten schuldig, die Eintritt zahlen.»
Endo ist ein leidenschaftlicher Leser. Historische Bücher, Romane, fast nur altes Zeugs, viel Lyrik. «Einen guten Roman kann man in der Mitte zu lesen beginnen, wie ‹Don Quijote›.» Und er mag die Western von Sergio Leone. Die Bildsprache, die Musik, das Amoralische. Western hätten ihn inspiriert für die Dramaturgie eines Konzerts. «Die Musik gibt mir das Bühnenbild für die Texte.» Und das Leben gibt ihm den Stoff zum Schreiben. Es ist ambivalent genug. «Ich hoffe, dass in den Texten auch meine Liebe zu den Menschen durchdringt. Und nicht nur der Sarkasmus.»
Konzerte
Fr, 6.3., 21.00 Mokka Thun BE
Fr, 13.3., 19.30 La Poste Visp VS
www.stillerhas.ch
CD
Stiller Has
Pfadfinder
(Sound Service 2020)
Endo Anacondas Kulturtipps
CD
Steff la Cheffe: Härz Schritt Macherin (Bakara 2018)
«Meines Erachtens die beste Mundart-Texterin der Schweiz. Die Texte sind sehr authentisch. Sie ist auch eine exzellente Sängerin. Live kommt das alles noch besser durch.»
BUCH
B. Traven: Das Totenschiff (Diogenes)
«Eine Wiederentdeckung. Das 1926 erschienene Buch erinnert uns daran, dass auch im Kapitalismus, der heute herrscht, Dumpinglöhne und Sklavenarbeit nicht die Ausnahme, sondern die Regel sind.»
DVD
Walter Hill: Broken Trail (Sony 2007)
«Die schauspielerische Leistung von Robert Duvall ist exzellent. Dazu kommt die epische Art, wie dieser Fernseh-Western von 2006 geschnitten ist.»