«EN FAMILIE» Krankheit, Tod und Lebenspläne
Die dänische Regisseurin Pernille Fischer Christensen bringt ein Familienleben mit Komplikationen auf die Leinwand. «En Familie» erzählt von Krankheit, Tod, Tradition und Selbstbestimmung.<br />
Inhalt
Kulturtipp 05/2011
Urs Hangartner
Der Urgrossvater war aus Deutschland eingewandert, um eine Bäcker-Dynastie zu gründen, wie wir am Anfang in schwarz-weissen Dokumentaraufnahmen sehen. Mit ihrer «Bageri», wie Bäckerei auf Dänisch heisst, hat es die deutschstämmige Familie der Rheinwalds weit gebracht im Land: Sie sind königliche Hoflieferanten. Die Familie scheint soweit im Lot. Patron Rikard Rheinwald (Jesper Christensen, den man als Bösewicht aus den beiden letzten Bond-Filmen ...
Der Urgrossvater war aus Deutschland eingewandert, um eine Bäcker-Dynastie zu gründen, wie wir am Anfang in schwarz-weissen Dokumentaraufnahmen sehen. Mit ihrer «Bageri», wie Bäckerei auf Dänisch heisst, hat es die deutschstämmige Familie der Rheinwalds weit gebracht im Land: Sie sind königliche Hoflieferanten. Die Familie scheint soweit im Lot. Patron Rikard Rheinwald (Jesper Christensen, den man als Bösewicht aus den beiden letzten Bond-Filmen kennt) ist mit der jüngeren, im Betrieb mithelfenden Sanne (Anne Louise Hassing) zusammen. Die Frau und die Familie wirken als eine Art Jungbrunnen für den gegenwärtigen Betriebspatriarchen Rikard.
Ein Schicksalshammer
Mit Sanne hat er zwei kleinere Kinder, Vimmer und Line. Das sind die Stiefgeschwister von Ditte (Lene Maria Christensen), der Galeristin mit Künstler-Freund Peter (Pilou Asbæk). Eben erhält Ditte einen Anruf aus New York. Sie könnte dahin ziehen und in einer renommierten Galerie arbeiten. Ein Traumangebot, welchem ihre Schwangerschaft in die Quere kommt.
Ein drohender Schicksalsschlag der ansonsten bestens funktionierenden Familie scheint abgewendet: Vater Rikard bekommt aus dem Krankenhaus positiven Bescheid. Die Lungentumore sind weg. Der Krebs ist besiegt. Jetzt wird geheiratet. Die Verbindung mit Sanne ist nun auch rechtlich abgesegnet.
Aber der nächste Schicksalshammer lässt nicht auf sich warten: Ein nicht operierbarer Gehirntumor taucht auf. «Sie sagen, sie können nichts mehr für dich tun», muss Ditte ihrem Vater mitteilen. Im Krankenhaus will der todkranke Rikard nicht bleiben, ein Hospiz kommt für ihn nicht infrage, doch daheim, wohin er wider allen Rat geht, wird er grantig und eine Belastung für die Seinen. Das bisher sanfte Familienoberhaupt zeigt plötzlich verhärtete Züge. Und Rikard verflucht die Ungerechtigkeit der Welt: «Man schuftet von morgens bis abends, um gutes Brot zu backen, und das soll der Lohn sein?» Ditte hat die Abtreibungspille genommen, eigentlich, um sich für New York und gegen das Muttersein zu entscheiden. Jetzt kommt es ihr gelegen: Sie will bleiben, beim Vater. Gemäss seinem Willen soll sie den Betrieb übernehmen. Seine zweite Frau Sanne tituliert er derweil despektierlich als «Bäcker-Mädchen».
Das Leben geht weiter
Die bedrohte Liebe zwischen Ditte und Peter wird ganz am Schluss wieder besiegelt. Das Leben geht weiter, nachdem die ganze Familie zu Hause am Sterbebett von Rikard versammelt war.
«En Familie» ist ein Film über die Tradition und den Bruch mit ihr, übers Entscheiden für das Neue, für das Eigene und gegen das Vorbestimmte, über das selbstbestimmte Leben und den Tod. Ein Film auch mit viel Schauspielkraft: Jesper Christensen hat, man glaubt es kaum, für seine Rolle des todkranken Rikard während der sechs Wochen Dreharbeiten 16 Kilo abgenommen.