Das Schneewittchen schneidet dem Rumpelstilzli die Fingernägel. Oder das tapfere Schneiderlein strickt rote Käppli. Wahr oder nicht wahr? Diese Frage stellt der Kabarettist bei der Premiere seines Programms «Emil schnädered» im Zürcher Bernhard Theater. «Heute weiss ja niemand mehr, was gelogen ist und was nicht», sagt Emil Steinberger im Telefongespräch aus den Winterferien im Engadiner Dorf La Punt. Er sei immer wieder verblüfft, wie die Menschen mit der Wahrheit umspringen: «Alles und jedes wird behauptet, ohne sich zu fragen, ob das überhaupt stimmt.» Einzig den Kindern sei wichtig, was richtig ist. «Sie stellen zu Recht die Frage: Ist das denn wahr?»
Emil prägt das Schweizer Kulturleben
Emil ist unverwüstlich. Seit Jahrzehnten prägt er das Schweizer Kulturleben mit. Denn er verkörpert den liebenswürdigen Durchschnittsschweizer, gutmeinend, etwas naiv und mit einer Prise Hinterlist, wenn es um den eigenen Vorteil geht. Er hat als einer der wenigen Schweizer Künstler sogar das Bild des Landes bei den deutschen Nachbarn mitgeprägt. Unvergesslich sind seine Sketche wie der Telegrafenbeamte, der an einem Kreuzworträtsel scheitert. Oder der Papa, der fast platzt vor Stolz auf seinen Nachwuchs im Kinderwägeli: «Jo, tü-tü-tü-tüüü!»
Aber nicht auf seine Dauerbrenner setzt er im neuen Programm, mit dem er in der Schweiz ein paar Dutzend Mal auftritt. Er nimmt sich lieber all der Unwahrheiten an, mit denen er in seinem Leben persönlich konfrontiert war. «Emil als Spion verhaftet!», schrieb eine Zeitung einst. Oder: «Emil dreht Film mit Marlon Brando!» Er greift auch aus dem Vollen der Moderne. So stellt er eine App vor, die munter piepst, wenn der Chef auftaucht, damit der Angestellte rechtzeitig Emsigkeit vortäuschen kann.
90 Minuten werden die Vorstellungen dauern und damit etwas kürzer sein als seine früheren Auftritte. Wegen seines Alters? «Keinesfalls», sagt der 89-Jährige. Aber die Leute hätten heutzutage nicht mehr das Sitzleder, um länger still zu sitzen. Er selber ist offenkundig mit einer beneidenswerten Gesundheit gesegnet. Sein Geheimnis – Yoga oder Fruchtsäftli? «Nichts da, täglich Äpfel und kein Sport genügen.» Und was treibt ihn an? Ein gewisser Schlendrian im Alter wäre ja nicht verwerflich: «Die Freude des Publikums, wenn es lacht und klatscht.» Man hat den Eindruck, Emils Lebenselixier sei der Adrenalinstoss, den er bei seinen Auftritten erlebt.
Er probe ein Programm nicht. «Ich schreibe die Texte in meinem Büro, dann lese ich sie und lese sie – immer wieder.» Allerdings spreche er die Rollen nicht wortwörtlich auf der Bühne, sondern variiere spontan. «Darum kann ich nicht mit anderen spielen, die würden mit mir laufend den Faden verlieren.» So bleibt Emil, was er immer war – der Alleinunterhalter, der einen Abend vergnüglich macht.
Emil schnädered
Premiere: So, 6.3., 20.00 Bernhard Theater Zürich
Emil Steinbergers Kulturtipps
Buch
Ferdinand von Schirach: Kaffee und Zigaretten (Luchterhand 2019)
«Kindheitserinnerungen oder seltsame Erlebnisse als Anwalt: Lesenswerte Episoden von Ferdinand von Schirach, die aus dem Leben gegriffen sind.»
LP/CD
George Gershwin: An American in Paris (Sony)
«Ein Klassiker des US-amerikanischen Komponisten George Gershwin. Er verarbeitete darin seine Eindrücke aus Paris – etwa mit Hupen von Taxis.»
Film
Eva Vitija: Loving Highsmith
«Dieser Dokfilm basiert auf persönlichen Aufzeichnungen der Autorin Patricia Highsmith und lässt sie in menschlichem Licht erscheinen.» (Siehe S.14)