Schon seit einer halben Minute hält Elia Rediger die Augen geschlossen. Die Frage nach seinen Schreibgewohnheiten muss er setzen lassen. Im Bistro der Vidmarhallen in Bern hat Rediger seine Ellenbogen auf den Holztisch gestützt, die Hände sind vor dem schwarzen Vollbart verschränkt. «Beim Komponieren kann man sich einfach überlisten», beginnt er schliesslich. Die Augen wieder geöffnet, sprudelt es aus ihm heraus – von Rhythmen und Motiven, von Fugen und Bildern im Kopf.
Währenddessen zeichnet er mit einem Bleistift auf ein liegen gebliebenes Papierset. Bis eine Zickzacklinie entstanden ist, die der Pulskurve einer leicht erregbaren Person gleicht. Auch im Gespräch wird der Musiker und Künstler über Gipfel und durch Täler gehen – Überschwang und Grübelei.
Spiel mit «abgründigen Momenten»
Elia Rediger machte sich ab 2008 zunächst mit der Pop-Band The bianca Story einen Namen. «M & The Acid Monks» (2012) und «Peter Pan» (2015) waren seine ersten Gehversuche im Musiktheater. Heute ist der 33-jährige Basler Hausautor beim Konzert Theater Bern. Demnächst wird in den Vidmarhallen das Singstück «Das Resort» zu sehen sein, das er zusammen mit dem Berner Schriftsteller Jürg Halter geschrieben hat: Ein Bergsturz schliesst die Gäste eines Wellness-Hotels ein. Vom Hotelorchester begleitet, verhandeln Manager, Arbeitslose und Künstler Identitätskrisen und Rollenbilder. Das satirische Kammerspiel spricht Selbstoptimierung und Fragmentierung der Gesellschaft an. «Jürg Halter und ich arbeiten gerne mit Themen, die nicht einfach auszuhalten sind», sagt Rediger. Den Enthusiasmus für solche Stoffe spürt man in seinen Ausführungen: Lautmalereien und Lacher schmücken seine Erklärungen zu Kompositionen, die er mit Brüchen und Dissonanzen versah. «Ich spiele mit den abgründigen Momenten.»
In seinem ersten Stück «Oh Boyoma» machte er 2017 Europäer zu Flüchtlingen, die in den Kongo ziehen. Bald wird er im Kongo mit Kobalt-Mineuren ein Oratorium einstudieren, das er im Herbst in Europa aufführen wird. Migration, Krieg, Rohstoffhandel – kann das Theater in der Gesellschaft etwas bewirken? «Jürg Halter hätte sicher viele schlaue Antworten», witzelt Rediger zunächst. Dann wird er ernster, berichtet von Selbstzweifeln und seinem Wunsch, nicht als abgehoben wahrgenommen zu werden. Und irgendwann schlenkert er zurück zur ursprünglichen Frage: «Vertritt man als Künstler ein Anliegen glaubwürdig, ist es möglich, etwas zu bewegen.»
Während er spricht, zeichnet Elia Rediger wieder mit seinem Bleistift. Über das Papierset schwingt sich nun ein Band, das man als Notenlinien interpretieren könnte. Melodien sind keine notiert. Noch nicht.
Das Resort
Premiere: Do, 4.4., 19.30
Vidmarhallen Köniz-Liebefeld BE
Elia Redigers Kulturtipps
Ausstellung
Cyprien Gaillard. Roots Canal
«Dieser Künstler verfolgt mich, seit ich seinem Schaffen vor zehn Jahren zum ersten Mal begegnete. Das ist fette Kunst: In seine Werke kann man eintauchen, und dennoch haben sie den Anspruch, harte Realität abzubilden.»
Bis So, 5.5.
Museum Tinguely Basel
Oper
Michael Wertmüller und Dea Loher: Diodati. Unendlich
«Diese Oper ist der Wahnsinn! Vor allem der zweite Teil haut rein.»
So, 31.3., 18.30 Theater Basel
Mo, 8.4., 19.30 Theater Basel (Dernière)
Musik
Stiller Has: Znüni näh
«Die letzte Stadionband der Schweiz.»