Einsamer Todesengel
Die italienische Schauspielerin Valeria Golino debütiert als Regisseurin mit dem beachtlichen Film «Miele».
Inhalt
Kulturtipp 15/2014
Letzte Aktualisierung:
09.07.2014
Urs Hangartner
Sorgfältig und ruhig präpariert Irene (Jasmine Trinca) das tödliche Mittel, sie instruiert anwesende Angehörige, legt die gewünschte letzte Musik bereit. Und betont: «Sie können jederzeit abbrechen.» Von der Schwester eines Sterbewilligen wird sie mit den Worten verabschiedet: «Sie haben wirklich einen Scheissjob.»
Irene, Arbeitsname «Miele» (Honig), ist Sterbehelferin. Sie übt einen ebenso diskreten wie in Itali...
Sorgfältig und ruhig präpariert Irene (Jasmine Trinca) das tödliche Mittel, sie instruiert anwesende Angehörige, legt die gewünschte letzte Musik bereit. Und betont: «Sie können jederzeit abbrechen.» Von der Schwester eines Sterbewilligen wird sie mit den Worten verabschiedet: «Sie haben wirklich einen Scheissjob.»
Irene, Arbeitsname «Miele» (Honig), ist Sterbehelferin. Sie übt einen ebenso diskreten wie in Italien verbotenen Beruf aus und führt dazu ein Doppelleben. Offiziell studiert sie, doch regelmässige Besuche bei ihrem Professor in einer anderen Stadt sind in Wahrheit heimliche Flüge nach Mexiko. Hier besorgt sie sich in Apotheken für Hunde vorgesehene Barbiturate. Irene alias Miele ist ein einsamer Todesengel. Sie wohnt allein draussen am Strand. Zum Vater hält sie losen Kontakt, der (verheiratete) Liebhaber weiss lange nichts von ihrem anderen Leben.
Begegnung mit Folgen
Die Begegnung mit einem neuen Kunden bringt einiges in Bewegung. Der lebensmüde Zyniker Grimaldi (Carlo Cecchi), ein akademisch gebildeter Pensionär, verstösst gegen die Spielregeln. Erstens ist er nicht krank, zweitens will er sich beim Sterben nicht begleiten lassen. Er will nur an das tödliche Mittel herankommen, um «es» zu einem selbst gewählten Zeitpunkt selber zu tun. Für Miele ist klar: «Ich töte keine Depressiven – nein, ich helfe. Ich glaube an das, was ich mache.» Die Auseinandersetzung mit Grimaldi bildet für Irene den Anstoss, ihren Lebensplan zu hinterfragen.
Valeria Golino führte bei «Miele» ein erstes Mal Regie. Das beachtliche Debüt ist kein Beitrag zur Sterbehilfe-Diskussion in Spielfilmform; die Regisseurin richtet nicht über Irene. Der Film ist die Studie einer einsamen Frau, die ihren Idealismus mit dem Gelderwerb zusammenbringt. Bis sie sich von ihrem bisherigen Leben verabschieden will und sich für eine radikale Änderung entscheidet.
Miele
Regie: Valeria Golino
Ab Do, 17.7, im Kino