Eine politische Reizfigur
«Ferdinand Hodler in Karikatur und Satire»: Dieser neue Bildband ist eine treffliche Einstimmung auf die grosse Hodler-Ausstellung in der Fondation Beyeler Ende Januar.
Inhalt
Kulturtipp 02/2013
Letzte Aktualisierung:
14.02.2013
Rolf Hürzeler
Ferdinand Hodler war eine politische Reizfigur. Oder ein Symbol für «modern denkende Kräfte in Kultur und Gesellschaft». So schätzt der Kunsthistoriker Matthias Fischer den politischen Stellenwert Hodlers (1853–1918) Ende des 19. Jahrhunderts ein. Seine Auftritte hätten in jener Zeit die «Kunstberichterstattung in der Schweiz in geradezu überwältigender Weise bestimmt». Und ab 1897 begann die «nicht abreissende Auseinandersetzu...
Ferdinand Hodler war eine politische Reizfigur. Oder ein Symbol für «modern denkende Kräfte in Kultur und Gesellschaft». So schätzt der Kunsthistoriker Matthias Fischer den politischen Stellenwert Hodlers (1853–1918) Ende des 19. Jahrhunderts ein. Seine Auftritte hätten in jener Zeit die «Kunstberichterstattung in der Schweiz in geradezu überwältigender Weise bestimmt». Und ab 1897 begann die «nicht abreissende Auseinandersetzung im Deutschen Reich mit seinem Werk». Hodler zog damit die Aufmerksamkeit von Karikaturisten und Satirikern auf sich. Kunsthistoriker Matthias Fischer hat in seinem neuen Bildband die schier unzähligen Hodler-Karikaturen jener Jahre versammelt.
Diese Fülle ist mit der grossen Anzahl von Satire- und Witzblättern zu erklären, die im 19. Jahrhundert erschienen. Heute gibt es in der Schweiz ausser dem «Nebelspalter» kaum noch Titel dieser Kategorie.
Die Satire vermochte die Leser damals zu provozieren. Zumal stets das Auge einer allgegenwärtigen Zensur über die Presse wachte. Da war es reizvoll, die Staatsmacht politisch zu kitzeln. Der neue Hodler-Band führt allein für die Schweiz sechs, vornehmlich französische Titel an, wie «Le Papillon» oder «Guguss». Dazu kamen deutsche Blätter zum Beispiel «Kladderadatsch» oder «Simplicissimus».
Kontroversen karikieren
So bedienten sich die Satiriker Hodlers Motiven auch freizügig, um allgemeine politische Kontroversen zu karikieren. Dieses Vorgehen wirkt bis heute nach, wie das Bild «Hildebrand-Presse» des Luzerner Illustrators Paolo Friz dokumentiert (siehe Bild rechts). Er platziert Hodlers «Holzfäller» auf der Spitze des Bundeshauses, von wo aus er den früheren Nationalbank-Präsidenten Philipp Hildebrand und Bundesrätin Evelyne Widmer-Schlumpf mit Tinte bespritzt. Hintergrund der Anspielung: Christoph Blocher hatte eine Version des «Holzfällers» während seiner Zeit als Bundesrat in seinem Berner Büro hängen. Und Blocher gilt als ein Drahtzieher bei der politischen Demontage Hildebrands.
Der modernistische Hodler und die rückwärtsgewandte SVP – wie geht das zusammen? Experte Fischer zeigt in seinem Kunstband, wie sich die politische Wahrnehmung Hodlers im letzten Jahrhundert veränderte. Man lehnte ihn und seine Kollegen «der sezessionistischen Künstlerschaften in München, Wien und Berlin als revolutionär ab». Seine offenen Provokationen führten dazu, dass er «als vulgär wahrgenommen» wurde.
Ikone der Schweiz
Mit der nationalsozialistischen Bedrohung und der «geistigen Landesverteidigung» wurden «Hodlers Kompositionen zu Ikonen schweizerischer Eigenständigkeit und zu Zeichen einer deutlichen Abgrenzung gegen alles Deutsche». Kein Wunder, hatte Nationalrat Christoph Blocher den «Holzfäller» nach der Wahl in den Bundesrat 2003 im Büro hängen.
Litt Ferdinand Hodler darunter, Zielscheibe zahlreicher satirischer Attacken gewesen zu sein? Zeitweise bestimmt, aber nicht nur, wenn man Kunsthistoriker Fischer glauben darf. Hodler habe seine Aussenseiterrolle genutzt, um sein «Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit zumindest in Teilen» nach seinem Gusto zu gestalten. Das habe «fast zwangsläufig zu einer Radikalisierung und Zuspitzung geführt». Immerhin brachte ihm die Aufmerksamkeit materiellen Wohlstand, Hodler war in seinen späteren Zeit wohl der am besten bezahlte Schweizer Künstler.