Eine diffizile Freundschaft
Im Briefwechsel von Alfred Andersch und Max Frisch zeigt sich die Unvereinbarkeit zweier unterschiedlicher Charaktere.
Inhalt
Kulturtipp 05/2014
Babina Cathomen
Von Literaturklatsch über die gegenseitige Beurteilung von Texten bis zu persönlichen Querelen: Der briefliche Austausch von Max Frisch und Alfred Andersch, die sich erstmals 1957 im Zürcher Café Odeon begegneten, deckt die ganze Bandbreite ab. Und er zeugt von einer diffizilen Beziehung zweier empfindlicher Seelen. Den Höhepunkt erreicht die Freundschaft ab 1965 im Tessiner Dorf Berzona, wo sie nebeneinander wohnen und sich rege über ihre Arbeit austauschen. U...
Von Literaturklatsch über die gegenseitige Beurteilung von Texten bis zu persönlichen Querelen: Der briefliche Austausch von Max Frisch und Alfred Andersch, die sich erstmals 1957 im Zürcher Café Odeon begegneten, deckt die ganze Bandbreite ab. Und er zeugt von einer diffizilen Beziehung zweier empfindlicher Seelen. Den Höhepunkt erreicht die Freundschaft ab 1965 im Tessiner Dorf Berzona, wo sie nebeneinander wohnen und sich rege über ihre Arbeit austauschen. Umso enttäuschender für Andersch, als Frisch ihm nach sechsjähriger Nachbarschaft einen Tagebucheintrag zum Gegenlesen schickt, in dem er seine Beziehung zu Andersch als un-bedeutend darstellt. Andersch reagiert zutiefst gekränkt: «Jeder deiner ach so höflichen Sätze enthält eine falsche Nachricht.» Es kommt zum Freundschaftsbruch.
Der vom Literaturwissenschaftler Jan Bürger herausgegebene «Briefwechsel» ist ein spannendes Zeugnis zweier Charaktere. Und er offenbart unter anderem Frischs schonungslosen Umgang mit andern: etwa seine Unfähigkeit, an Anderschs Nieren-Krankheit Anteil zu nehmen, und sein gleichzeitiges Bewusstsein am eigenen Unvermögen.
Amüsant sind die Kommentare über die Literaturwelt, bei denen sich vor allem Andersch nicht zurückhält: «Grass, seine showmanship mir gegenüber zügelnd, Uwe Johnson, ein pedantischer Lümmel …», setzt er in einem Brief aus Berlin zum Rundumschlag an und beschwert sich an anderer Stelle über die «unsäglichen Leute, die hier sind und deutsche Literatur spielen».
Alfred Andersch/Max Frisch
«Briefwechsel»
Hg. Jan Bürger
186 Seiten
(Diogenes 2014).
Berliner Inspiration
Mit Spannung wurde Anfang Jahr Max Frischs «Berliner Journal» erwartet, das über 20 Jahre lang unter Verschluss gehalten wurde (kulturtipp 4/14). Das Max-Frisch-Archiv an der ETH Zürich zeigt in einer Sonderausstellung Archivalien, die einen Querschnitt geben über die enge Verbundenheit von Max Frisch mit Berlin. Erstmals in der Schweiz sind in der Ausstellung Originalseiten aus dem «Berliner Journal» zu sehen.
Ausstellung
Rund um das Berliner Journal
Bis Fr, 29.8., Max-Frisch-Archiv ETH-Bibliothek Zürich