Ein ermordetes Paar auf einem abgelegenen Hof irgendwo in der Innerschweiz. Ermittler Albin Justus Hektor Gauch aus der Stadt wird mit der Aufklärung des Delikts betraut. Der Mann ist nicht gerade von viel Hoffnung beseelt. «Er hatte lebenslänglich mitgespielt in ­einer notorischen Unentschiedenheit – ein Staatsdiener, den das Leben langweilte im Grunde, auch wenn er sich und andere wenig davon merken liess.»

Sprachlich präzise

Man kann «Bajass» sehr wohl als Krimi lesen. Mehr noch aber als fein gebautes, sprachlich präzis gearbeitetes dichtes Buch über eine vergangene Zeit und die damalige Not minder privilegierter Menschen. Der Luzerner Autor Flavio Steimann zeichnet eine tendenziell schwermütige Innerschweizer Atmosphäre mit entsprechendem Menschenschlag. Er rekonstruiert sozusagen eine Sprache jener vergangenen Zeit. Das Geschehen lässt sich nicht genau datieren. Aber es gibt Hinweise: die vorletzte Jahrhundertwende, um 1900. Man schrieb damals noch «Bureau» und kannte Wörter wie «Göller», «Ganasche», «Göpelgang» und «Stabelle». 

Der «Bajass» des Romantitels bedeutet Hanswurst. Und hier auch Prügelknabe. Eine mit «Bajass» beschriftete Fotografie ist eines der wenigen Indizien, die Gauch bei seiner Investigation sammeln kann. Nebst einem Knopf und dem Gipsabdruck einer Fussspur. Und einem Inserat, das für eine Überfahrt nach Amerika wirbt.

Der Schauplatz wechselt vom Ländlichen zum Meer. Gauch reist eigenmächtig auf einem Auswandererschiff mit und findet tatsächlich, wen er sucht. «Dann trafen sich ihre Augen. Es war der Blick des Knaben auf dem Bild; wieder war es der Blick eines gefangenen Tieres.» Spätestens hier offenbart der Roman sein Thema: Es geht um Verdingkinder und ein fragwürdiges Rechtssystem. Um die geschundene Kreatur Mensch. Gauch entscheidet sich für seine eigene Gerechtigkeit und lässt Recht Recht sein.

Flavio Steimann
«Bajass»
128 Seiten
(Edition Nautilus 2014).