Grossvater Nazischerge, ­Mutter Antisemitin – soweit ist alles gut für den jungen Basler Xavier Radek. Aus ungeklärten Gründen, jedenfalls keinesfalls aus Scham, will er sich zum Retter der Juden aufschwingen. Als erster Schritt in diese Richtung verliebt er sich in den jüdischen Jungen Awrommele. Und dieser vermittelt ihm eine Beschneidung bei einem alten, halbblinden Rabbiner. Der Eingriff erweist sich als ziemlich unangenehm: «Er wünschte sich, das Be­wusstsein zu verlieren, so scharf und brennend war der Schmerz.» Der Rabbi liebte übrigens Zeit seines Lebens Weihnachtsbäume, was ihm ernsthafte Gewissensbisse verursachte. Ach ja, und der Alte rutscht mit dem Messer ab und schneidet dem armen Radek einen Hoden ab. Dieser lässt das kostbare Teil konservieren und trägt es künftig als König David mit sich im Spritglas. Soweit der Humor des 42-jährigen Autors Arnon Grünberg.

Die Dinge nehmen einen unerwarteten Verlauf. Die Öffentlichkeit sieht Radek bald als Opfer eines Pädophilen, nämlich des alten Rabbi, der ins Gefängnis kommt. Radek erreicht dafür in der Basler Öffentlichkeit Heldenstatus. Und in der jüdischen Gemeinschaft anerkennt man seine Bemühungen, «Mein Kampf» auf Hebräisch zu übersetzen.

Retter der Juden

Schliesslich kommt er ins gelobte Land, um die Juden vor dem Untergang zu retten. Dort macht er politische Karriere und zettelt einen Weltkrieg an. Wie das historische Vorbild ist Radek übrigens ein begeisterter Hobbymaler. Leider würdigt niemand sein künstlerisches Talent ausser dem pädophilen Freund seiner Mutter, und der hat sich ohnehin in den Retter der Juden verliebt.

Die Lektüre ist streckenweise urkomisch. Allerdings erträgt die Ge­schichte den Umfang von über 600 Seiten nicht. Bei Kürzungen hätte Grünberg etwa die Anzahl expliziter schwuler Sexszenen, sagen wir mal, halbieren können. In der Presse fand der Roman gleichwohl fast nur Applaus.   

Arnon Grünberg
«Der jüdische Messias»
635 Seiten
(Diogenes 2013).