Musikalische Wahrheitssucher haben in der Analog-Technologie den heiligen Gral gefunden und in Nick Waterhouse einen neuen Helden. Seine erste 45er-Single «Some Place», die er 2010 aufnahm, erzielt Höchstpreise bei Auktionen. Und auch sein Debütalbum «Time’s All Gone» begeisterte Fans und Kritiker. Nun tritt er in Zürich und Bern auf.
kulturtipp: Nick Waterhouse, welche Rolle spielte der Plattenladen in Ihrem Leben?
Nick Waterhouse: Der auf Vinyl und Raritäten spezialisierte Plattenladen Rooky Ricardos in San Francisco hatte einen wichtigen Einfluss auf mich. Der Laden war wie mein Klubhaus, wo ich viele zukünftige Freunde und Musiker meiner Bands kennenlernte. Die ersten Gigs konnte ich durch die Kontakte buchen, die ich in diesem Laden machte. Darüber hinaus war ich sehr engagiert in der DJ-Kultur. Und natürlich deckte ich mich dort mit vielen Platten ein.
Zur Zeit der Jahrtausendwende waren Sie 14 Jahre alt. Wie fühlte es sich als Teenager an, in einer Zeit zu leben, in der die Gegenkultur zum Mainstream geworden war? In der es sehr leicht war, zu resignieren und zynisch zu werden, weil das Musikgeschäft nur noch nach ökonomischen Berechnungen betrieben wurde, und dafür die Substanz verloren ging.
Das war kurz bevor das Internet half, diese Mikro-Kulturen zu generieren. Es war eine zynische Zeit, aber ich glaube, dass ich mich früher genau gleich entwickelt hätte. Ich mochte nicht, was mir musikalisch angeboten wurde, und ich sah durch diese goldenen Idole der Gegenkultur hindurch. So suchte ich nach meiner eigenen Kultur, nach meinem eigenen Sinn und meiner eigenen Musik. Ich glaube, wenn du in jungem Alter einem gesunden Schub Zynismus ausgesetzt bist, kann dir das helfen, das Herz und die Augen zu öffnen. Ich bin gerade 27 geworden und bin sehr froh, dass ich darüber hinwegkam.
Sie sind offensichtlich ein Anhänger der Vinyl- und Analog-Religion.
Ja, das bin ich. Das ist der natürliche Weg, wie Sound gehört werden sollte. Musik ist Schwingung. Singles, 45s, sind so direkt, kraftvoll und einfach, weil bei ihnen viel vom Überflüssigen wegfällt, das in den letzten Dekaden durch die Plattenfirmen mit Musik zusammengepackt wurde. Es ist das Format mit dem allerwenigsten überflüssigen Gepäck.
Singles machten das Leben nach dem Zweiten Weltkrieg wieder lebenswert.
Ja genau, ich liebe es, mit Leuten zu sprechen, die damals lebten, die mir erzählen können, wie sie das ganze Taschengeld einer Woche zusammenkratzten, um eine Single zu kaufen. Und dann haben sie die Platte gehört, bis sie perforiert war. Damals hattest du vielleicht vierzig Singles, aber diese Songs kanntest du wirklich. Es hatte nichts mit dem Downloaden von Tausenden von Songs zu tun, von denen du dir dann 30 Sekunden anhörst und sie dann für immer in deinem iPod rumträgst.
Musik kann als Zeittransporter und als Transformer wirken. Sie spielen alten R&B, der ganz frisch vibriert. Woher kommt das Neue?
Ich will nicht die Musik von anderen Leuten spielen. Ich fand, dass viele der Künstler der 45er-Singles, die ich mochte, versuchten, Grenzen zu überschreiten, Leute, die irgendwo begannen und an einen anderen Ort gelangten.
CD
Nick Waterhouse
Time’s all gone
(Alive 2012).
Konzerte
Fr, 31.5., 21.00 Dachstock Bern
Di, 4.6., 20.00 Stall 6 Zürich
www.nickwaterhouse.com