«Ein Elefäntchen, rosarot, wie ein Marzipanschweinchen, aber intensiver. Und es leuchtete wie ein rosarotes Glühwürmchen.» Dieses seltsame Wesen entdeckt der Obdachlose Schoch in seiner Höhle am Limmatufer, in der er übernachtet. Er schiebt die Erscheinung auf seinen Alkohol-Rausch und nimmt sich vor, etwas weniger zu trinken.
Doch der rosafarbene Mini-Dickhäuter existiert tatsächlich. Zumindest in Martin Suters neuem Roman «Elefant». Darin entwirft der Zürcher Bestsellerautor ein Szenario, das zwar abwegig klingt, aber in der Gentechnologie nicht weit von der Realität entfernt ist. Mit sogenannten «glowing animals», in der Dunkelheit farbig leuchtenden Ratten, Schweinen oder Katzen, wird in der Molekularbiologie seit längerem experimentiert. Im Mittelpunkt des Romans steht der Genforscher Roux, der seinen ehemaligen Chef mit der Züchtung eines fluoreszierenden Elefanten übertrumpfen will. Ruhm und Rache sind seine Motivation.
Für das Experiment will Roux modifizierte Gene mit einem Fluoreszenz-Protein, wie es etwa die Glühwürmchen haben, in eine Eizelle injizieren. Diese wird befruchtet und in die Gebärmut- ter einer Elefantenkuh eingepflanzt. Ein Zirkusdirektor mit serbelndem Unternehmen stellt dem Forscher seine Elefanten zur Verfügung. Das Unterfangen gelingt, wenn auch anders als gedacht: Die Elefantendame Asha bringt ein Baby von 20 Zentimeter Höhe zur Welt, das nicht mehr viel wachsen wird.
Gut konstruierte, süffige Story
Eine Sensation, mit der Roux viel Geld verdienen kann. Allerdings hat er die Rechnung ohne den burmesischen Elefantenflüsterer Kaung gemacht, der die Zirkustiere betreut. Für ihn ist der rosarote Elefant, den er Barisha nennt, heilig – und schützenswert. Mit einem Tierarzt schmiedet er einen Plan, wie er Barisha den skrupellosen Forschern entziehen kann. Natürlich läuft dabei nicht alles glatt – und so landet das Tierchen auf Umwegen in der Höhle des Obdachlosen Schoch, der sich dem Wesen annimmt.
Aus der brisanten Ausgangslage entwickelt Suter einen Thriller mit überraschenden Wendun-gen und Cliffhangern. Elegant switcht er zwischen Zeitebenen, Perspektiven und unterschiedlichen Welten – vom gentechnischen Labor über die Zirkusmanege bis zur Obdachlosenszene. Ohne sprachliche Finessen, aber mit einer gut konstruierten, süffigen Story schafft es Suter, seine Leser in einen Sog zu ziehen.
Mit der Gentechnologie hat er ein aktuelles Thema gewählt, das Zündstoff bietet und die Menschheit vor ethische Konflikte stellt. Wie weit soll und darf der Mensch in das Erbgut eingreifen? Welche Möglichkeiten für die Heilung von Krankheiten eröffnen sich – und welche Gefahren? Suter lässt diese Fragen und das grosse Geschäft mit der Genmanipulation in seinem Roman anklingen. Viel Gewicht legt er auch auf die Geschichte des Alkoholikers Schoch, dessen Umfeld er detailgetreu beschreibt. Bei der Recherche habe er sich von Zürcher Obdachlosen die Szene zeigen lassen, erklärte der Autor in einem Interview. Seiner Figur Schoch winkt im Roman ein unerwartetes Schicksal.
Podiumsdiskussion
Alt Bundesrat Moritz Leuenberger diskutiert mit Chansonnier Stephan Eicher und Autor Martin Suter
So, 29.1., 11.30
Bernhard Theater Zürich
Buch
Martin Suter
Elefant
352 Seiten
(Diogenes 2017).