Vor 26 Jahren gewann ein junger Oberarzt aus Bad Reichenhall den Salzburger Stier für Deutschland. Wenig später konnte Dr. Georg Ringsgwandl den weissen Kittel an den Haken hängen und sich ganz seiner eigentlichen Leidenschaft hingeben. Clownesk geschminkt und in schrill bunte Kostüme gekleidet, zog er von Clubbühne zu Kellertheater und schleuderte einem wachsenden Publikum seine alpin gewürzten Punksongs entgegen.
Als der «Stier», der wichtigste Kleinkunstpreis im deutschen Sprachraum, dieses Jahr zum 32. Mal überreicht wurde, trat der einstige Bürgerschreck als Stargast auf. Radio SRF 1 sendet einen Live-Mitschnitt dieses Gala-Abends vom 3. Mai, der eindrücklich zeigt: Georg Ringsgwandl ist ruhiger geworden, gesitteter, fast altersmilde.
Subtile Ironie
Sogar sein Plattenlabel unterstreicht im Medientext zum aktuellen Album «Mehr Glanz!», dass keine «exaltierten Kasperlnummern» mehr zu erwarten seien, dafür «viel ausgeruhtes Songwriting». Tatsächlich überzeugt die Anfang Juni erschienene CD durch musikalisch routiniert dargebotene Blues-Folk-Songs einer abgeklärten Viermannband. Der Meister selbst schrummt dazu noch die Akkorde auf seiner Gitarre und singt Texte von subtiler Ironie. Im Stück «I hob nur di» gibt er sich als einsamer Wolf und beschwört seine wilden Zeiten herauf. In «Wo ist mein Text» bleibt Ringsgwandl sogar stumm.
Da staunt der Fan, der sich an frühere Zeiten des Herrn Ex-Chirurgen erinnert. An Songs wie «Bin i deppert», «I wui net Ski fahrn, aber i muass» oder «Jedermann», die von derart anarchischer Wucht waren, dass sie sich wie Kletten im Publikum festhakten. Dargeboten von einem unfassbaren Wesen, das federleicht über die Bühne tänzelte und ein Falsettstimmchen durch seine dicken Lippen presste. Um kurz darauf zappaesk in tiefwummernde Register zu wechseln.
Das Besondere an Ringsgwandl war aber nicht nur sein schrilles Auftreten. Seine Musik mixte er aus bayerischer Folklore, Blues und Punk. Als erstes Instrument hatte er die Zither erlernt, die er bis heute nebst der Gitarre gezielt einsetzt.
In seinen sprachverspielten Texten zog er über Missstände in Politik, Gesellschaft und Kirche her. Damit feierte er grosse Erfolge auf Musik- und Kabarettbühnen, aber auch in Funk und Fernsehen. Auf den «Salzburger Stier» folgten zahlreiche Preise bis hin zum höchst renommierten Preis der deutschen Schallplattenkritik.
Zurückgeschraubt
Verbal teilt Georg Ringsgwandl noch heute aus. Doch was Musik und Performance angeht, hat der 64-Jährige spürbar zurückgeschraubt. «I bin nimma so a ganz schlimme Wurzelsau wie damals», sagte er kürzlich in der ARD-«Abendschau» zu seinem neuen Album. Es ist das erste seit vier Jahren, und er hat es mit neuer Band eingespielt. Wer den «neuen» alten Ringsgwandl nicht nur auf CD oder am Radio hören, sondern live erleben will, muss vorderhand zu Konzerten nach Deutschland reisen. Im Januar kommt er in die Schweiz.
CD
Ringsgwandl Mehr Glanz! (Blankomusik 2013).
Radio
Mi, 31.7., 20.00 SRF 1
«Spasspartout» zum Salzburger Stier 2013, Galaabend
Konzert
Fr, 24.1.14, 20.00
Kaufleuten Zürich