An Konzertpianisten, die während des Spielens Leidensmienen aufsetzen und mitsummen, hat man sich gewöhnt. Wenn einer beim Interpretieren von Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 3 pausenlos vor sich hinplaudert und mit dem Publikum schäkert, macht das aber stutzig. Nicht nur, weil dieses Konzert als eines der schwierigsten gilt. Doch David Helfgott kann nicht anders. Er plaudert unentwegt, auch beim Teetrinken oder Schwimmen.
Die deutsche Dokumentarfilmerin Cosima Lange begleitet den australischen Pianisten auf einer Europatournee mit den Stuttgarter Symphonikern. «Hello I Am David!» ist das Porträt eines Menschen, der zwischen Genie und Kleinkind pendelt.
«Kasperl» oder Star?
Seit einem Nervenzusammenbruch in jungen Jahren leidet Helfgott an einer schizoiden Störung. Zuvor hatte er eine Jugend als Wunderkind durchlebt, später am Royal College in London studiert und unzählige Preise gewonnen. Bekannt geworden ist er 1996 durch Scott Hicks’ Spielfilm «Shine», der Helfgotts Lebensweg bis zur Begegnung mit seiner späteren Ehefrau Gillian als bewegendes Biopic erzählt. Hauptdarsteller Geoffrey Rush erspielte sich damit einen Oscar, der Film wurde zum internationalen Erfolg, der Helfgott den Weg zurück auf die Konzertbühnen ermöglichte.
Musikkritiker streiten sich bis heute über Helfgotts pianistische Qualität. Viele lehnen ihn als «Showkasperl» ab, andere attestieren ihm musikalische Seriosität. Das Publikum feiert ihn wie einen Popstar.
All diese Facetten tauchen in Cosima Langes Dokfilm auf. Aufschlussreich ist ein Kameraschwenk über die Gesichter der Orchestermusiker während des Übens mit dem schwierigen Star: Das Mienenspiel reicht von Bewunderung über Amusement bis zum offenen Missmut. Eindrücklich ist Helfgotts Begegnungen mit Fans: Er schüttelt ihre Hände während und nach den Konzerten, fällt ihnen in die Arme, küsst sie – pausenlos redend, charmierend, kalauernd. Umwerfend lustig ist eine Szene auf dem Wiener Flughafen: Helfgott stibitzt einer Schalterfrau Teebeutel und löst damit ein heilloses Durcheinander aus.
Wenn es um Teebeutel geht oder Cola-Flaschen, um Kugelschreiber oder sonstige «beautiful things», wird der 68-jährige Starpianist zum Kleinkind. Wenn er sie nicht bekommt, beginnt er zu trötzeln – oder zu klauen. Sekunden später doziert er eloquent über Musik oder die Kunst des Lebens. «Be thankful», lautet sein Credo. Oder: «Risky, risky – Music is risky. And music is life.»
Neugierde und Respekt
Helfgotts zweite Karriere wäre undenkbar ohne seine Frau Gillian. Sie betreut ihn rund um die Uhr, und dies erfüllt von aufrichtiger Liebe. Cosima Lange gewährt ihr im Film glücklicherweise viel Raum. Ebenso Matthias Foremny, dem Dirigenten der Stuttgarter Symphoniker, oder Walter Hitz, seit Jahren Helfgotts Manager. Sie alle erzählen über ihren Schützling und weshalb er ihr Leben bereichert.
«Hello I Am David!» ist ein gelungener, weil mit Neugierde und Respekt gemachter Film, der auf witzige wie tiefgründige Art von einem aussergewöhnlichen Menschen berichtet.
Hello I Am David!
Regie: Cosima Lange
Ab Do, 7.1., im Kino