Privatdetektiv Brenner schaut sich am Computer Russinnen an, die einen österreichischen Mann zum Heiraten suchen: «Er hat sich vorgestellt, dass so eine Brennerova heissen würde, wenn sie ihn heiratet.» Kurz darauf wird er von einer Nadeshda kontaktiert: Die Russin hofft, dass sie mit seiner Hilfe ihre verschwundene Schwester Serafima finden wird. Das ist die Ausgangslage im neuen Roman des Krimiautors Wolf Haas.
Frauen-Import
Der österreichische Autor hat sich in «Brennerova» mit dem Russinnen-Import ein heikles Thema vorgenommen: Verschleppte Frauen, Prostitution, Geldnot oder simple Gewalt sind die Ingredienzen, die man damit gemeinhin in Verbindung bringt. Und Haas reizt mit seinem Protagonisten Kommissar Brenner die Figur des schwierigen Ermittlers aus. Man kennt das: komplizierter Typ mit dem Herzen auf dem rechten Fleck.
Kommissar Brenner ist geradezu der «Parade-Knorz». Ein sturer Bock, der es seinen Mitmenschen schwer macht. So ist er seiner russischen Bekanntschaft Nadeshda gegenüber anfänglich sehr misstrauisch und denkt, sie wolle nur sein Geld. Als sie ihm dann jedoch die Rückfahrkarte für den Zug bezahlt, versteht Brenner die Welt nicht mehr.
Mit seinem schwierigen Charakter passt er perfekt zur Vorgabe der gängigen Kriminalliteratur: Bereits Georges Simenon setzte auf einen misstrauischen Eigenbrötler. Im Krimi «Maigret und der faule Dieb» fühlt sich der Kommissar einem ermordeten Gauner so nahe, als wäre er zu Lebzeiten sein Freund gewesen, obwohl er ihn kaum gekannt hatte. Ein komischer Kauz eben.
Auch Elia Contini, der Privatdetektiv aus Andrea Faziolis Roman «Das Verschwinden», geht seine eigenen Wege. Eigentlich als Journalist bei einer Zeitung angestellt, recherchiert er in einem Mordfall, verheimlicht jedoch wichtige Details vor seinem Chef und der Öffentlichkeit. Denn er will den Fall auf eigene Faust aufdecken. Dafür lässt er selbst seine Beziehung sausen. Typisch auch Kriminalpsychologe Sebastian Bergman, den das Autorenduo Michael Hjorth und Hans Rosenfeldt erschuf: Der Schwerenöter ist nirgends erwünscht, unausstehlich und ein sexsüchtiger Lebemann. An den Burgdorfer Krimitagen können Interessierte bei Lesungen und Diskussionsrunden mehr über die Kommissare Contini und Bergman erfahren.
Mit lakonischem Witz
Auch Wolf Haas ist mit seinem Kommissar Brenner an den Burgdorfer Krimitagen zu hören. Der Autor wurde mehrfach mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet. Zu Recht: Denn Haas setzt auf satirische Weise gesellschaftspolitische Kritik um, ohne belehrend zu wirken. Und er amüsiert mit seiner bockigen Hauptfigur die Leserschaft: Brenners staubtrockene, sture Eigenart vermischt sich im Text mit lakonischem Witz. Bisher sind acht Brenner-Krimis erschienen, darunter «Der Knochenmann», «Auferstehung der Toten» und «Komm, süsser Tod», die teilweise verfilmt wurden.
Die Handlung in Wolf Haas’ «Brennerova» ist gewohnt spannend: Nachdem eine zerstückelte Frauenleiche in der Donau entdeckt wurde und zwei Männer mit abgehackten Händen im Spital landen, wird Brenner von einem ominösen Rumänen entführt. Seine Nerven werden in dieser Geschichte arg strapaziert. «Brenner hat gedacht, dass er langsam zu alt wird für den Job», heisst es an einer Stelle denn auch.
Programm: Burgdorfer Krimitage
Das Motto der diesjährigen Burgdorfer Krimitage lautet «Import–Export». Krimi-Autoren aus der Schweiz und dem Ausland stellen im Emmentaler Städtchen ihre neuesten Werke vor. Auf dem Programm stehen etwa eine Lesung von Michael Hjorth und Hans Rosenfeldt aus ihrem Bergman-Krimi «Das Mädchen, das verstummte» und eine Lesung mit Bernhard Aichner.
Christian Schünemann und Jelena Volic entführen die Zuhörer mit «Kornblumenblau» nach Belgrad. Ein seit über 20 Jahren ungelöster Kriminalfall wird bei Peter Beutlers «Kristallhöhle» zum Thema. Die Ärztin und Autorin Esther Pauchard versetzt die Krimifans mit ihrem dritten Roman «Jenseits der Rache» zu den Giessbachfällen. Andrea Fazioli liest aus seinem packenden Tessin-Krimi «Das Verschwinden» vor, und Esmahan Aykol reist in ihrer Lesung mit den Zuhörerinnen und Zuhörern
in die Türkei.
Nebst Lesungen finden Diskussionsrunden, Theateraufführungen, Kinofilme und eine Ausstellung statt.
Burgdorfer Krimitage
Fr, 31.10.–So, 9.11.
www.krimitage.ch
Fünf Fragen an Bernhard Aichner: «Meine Helden sind mir total sympathisch»
Im Krimi «Leichenspiele» von Bernhard Aichner sollen zwei Männer gegen Bezahlung eine Leiche auf dem Friedhof verschwinden lassen. Der Gewinner des diesjährigen BurgdorferKrimipreises über sein Werk mit dem Ermittler Max Broll.
kulturtipp: Weshalb setzen Sie auf so viele lange Dialoge in «Leichenspiele»?
Bernhard Aichner: Sie machen die Geschichte lebendig. Ich wollte ein filmartiges Buch schreiben. Durch die drehbuchähnlichen Dialoge kann der Erzähler zwischendurch «verschwinden».
Thema ist der Transplantationstourismus, was halten Sie davon?
Es ist abscheulich, dass das passiert. Menschen, die das Geld dazu haben, können sich heutzutage irgendwo einmieten, verwöhnen lassen und mit einem neuen Organ wieder nach Hause. Woher die Organe kommen, fragen sie nicht.
Weshalb haben Sie die Hauptrollen einem Totengräber und einem ehemaligen Fussballstar gegeben?
Ich habe zwei Helden gesucht, mit denen ich ein paar Wochen auf eine einsame Insel fahren würde. Diese beiden Aussenseiter sind mir total sympathisch.
In «Leichenspiele» lässt etwa eine Obduktionsassistentin einen Fremden an einer Leiche rumbasteln – das erscheint mir ziemlich gesucht.
Man stellt sich immer alles ordentlich vor. Aber ich glaube, dass das alles realistisch ist. In solchen Berufen arbeiten teilweise unglaublich schräge Typen.
Wie viel von Ihnen steckt in Ihren Figuren?
Sie haben sehr viel mit mir gemeinsam. Der Ermittler Max Broll ist mir so nahe, dass ich ihn am liebsten selbst spielen möchte, wenn das Buch einmal verfilmt würde.
Buch
Wolf Haas «Brennerova»
239 Seiten (Hoffmann und Campe 2014)
Lesungen
Wolf Haas
Mi, 29.10., 20.00 Kaufleuten Zürich
Bernhard Aichner
So, 2.11., 14.00 Casino Theater Burgdorf BE
Film
"Der Knochenmann" Nach dem Roman von Wolf Haas
Sa, 1.11., 19.00 Kino Krone Burgdorf BE
Radio
Wolf Haas und Eva-Maria Hagen
So, 19.10., 14.06 SRF 1
Zwei Stars im Gespräch