Vom Leben des venezianischen Abenteurers Giacomo Casanova (1725–1798) ist vor allem eines  bekannt: seine unzähligen Affären. Der Autor Werner Fuld entwirft in seiner «Geschichte des sinnlichen Schreibens» ein facettenreicheres Bild des Verführers. Casanovas Ruf als dumpfer Frauenheld entstand durch Erstübersetzungen aus dem Französischen. Darin wurde vieles weggelassen, umgeschrieben und das Buch auf die erotischen Passagen reduziert. Erst 1964 erschien eine unbearbeitete Ausgabe, die einen spannenden Einblick in die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts vor der Französischen Revolution gibt.

Mit 16 Jahren hatte Casanova seinen Doktor in Kirchen- und Zivilrecht gemacht. Aus dem Leben als Geistlicher wurde aber nichts: Er hatte in Rom die Geliebte des Neffen des Papstes verführt und musste fliehen. Als Geiger, Glücksspieler oder Alchimist schlug er sich fortan durch. 1755 wurde er in den venezianischen Bleikammern eingekerkert, woraus ihm die Flucht gelang.

Seine Intelligenz, Belesenheit und Konversationsgabe öffneten ihm die Türen: Er verkehrte mit Zeitgenossen wie Voltaire. Aus der Luft gegriffen sind seine Liebschaften aber nicht: «Die Buchhalter der Erotik haben gerade mal 120, vielleicht nur 116 Frauen gezählt, die er beglückte», schreibt Fuld lapidar. Kein Vergleich zu Don Juan, der gemäss Legende allein in Spanien 1003 Frauen verführte.

Casanova
«Aus meinem Leben»
Deutsche Erstausgabe: 1822–1828 
Heute erhältlich bei Reclam.