Seine Werke strotzten nur so von Satire, Ironie und Witz, doch sein eigenes Leben war ein einziges schwermütiges Auf und Ab. Bulgakow war für seine Ideen und seine Schreibe in die falsche Zeit geboren worden. In eine Zeit, die von Repression und Zensur geprägt war.
Nun sind Tagebuchaufzeichnungen und Briefe des Schriftstellers zwischen 1921 und 1940 unter dem treffenden Titel «Ich bin zum Schweigen verdammt» erschienen. Sie sind einerseits ein düsteres Zeitdokument der Sowjetunion unter Stalin und bieten gleichzeitig intime Einblicke in das Leben des Autors.
Brotlose Tätigkeit
Dieses war von Zensur, Geldnot und Krankheit bestimmt und nur einem gewidmet: dem Schreiben. Zwar hatte der 1891 in Kiew geborene Autor Medizin studiert, doch diese gab er früh auf und widmete sich ab 1920 nur noch der Literatur und der Adaption seiner Werke fürs Theater. Eine brotlose Tätigkeit in der krisengeplagten Sowjetunion. «Gage 125 pro Vorstellung. Das ist mörderisch wenig. Natürlich wird wegen dieser Vorstellungen zum Schreiben keine Zeit sein. Ein Teufelskreis. Meine Frau und ich nagen am Hungertuch», notierte er 1922 in sein Tagebuch.
Der Leser erfährt von der prekären Lage in Moskau und der Inflation am Brotpreis, der innerhalb eines Jahres von 20 000 auf 65 Millionen Rubel anstieg. In schlichter Sprache, die im Kontrast zu den Ausschweifungen und Wortspielen seiner fantasievollen und grotesken Werke steht, beschreibt Bulgakow sein Privatleben und kommentiert beiläufig die Politik, etwa wenn er 1923 Hitler erwähnt, «der irgendein Bündnis plant». Doch mit sämtlichen politischen Einschätzungen, die teilweise das sowjetische System kritisieren, ist ab 1926 Schluss. Im Mai desselben Jahres wurden bei einer Hausdurchsuchung sämtliche Tagebücher Bulgakows beschlagnahmt, worauf er – möglicherweise aus Angst – keine weiteren verfasste.
Im Verhörprotokoll zur Beschlagnahmung sagte Bulgakow von sich: «Ich schreibe immer mit reinem Gewissen das auf, was ich sehe! Die negativen Erscheinungen im Leben des Sowjetlandes wecken meine angespannte Aufmerksamkeit, weil ich darin instinktiv Nahrung für mich sehe (ich bin Satiriker).»
Verzweifelte Briefe
Und als solcher hatte er einen schweren Stand in der UdSSR: Die Presse und der Staat machten sein Leben zur Hölle, verboten Veröffentlichungen und forderten ständig Anpassungen seiner Werke und Theaterstücke. Sein Schreiben anzupassen, war aber keine Option: «Auf dem weiten Feld der russischen Literatur in der UdSSR war ich ein einsamer literarischer Wolf. Man hat mir geraten, mein Fell zu färben. Ein dummer Rat. Ein Wolf, ob gefärbt oder geschoren, wird nie wie ein Pudel aussehen.»
Seine Briefe, in denen Bulgakow stets höflich blieb und den richtigen Ton traf, richteten sich an Geschwister, Regisseure, Schriftsteller oder Freunde, aber auch an den Staat und direkt an Josef Stalin. Zu diesem führte Bulgakow eine spezielle Beziehung, die von gegenseitiger Faszination geprägt war. In mehreren verzweifelten Briefen bat er den Diktator, ihn aus der UdSSR auszuweisen, weil er in dieser keine Zukunft für sich sehe. Sämtliche Versuche blieben erfolglos.
Rares Glück
Trotz aller Misere gab es auch rare Glücksmomente im Leben des Autors. 1925 kommentierte er die Liebe
zu seiner zweiten Frau: «Ein schrecklicher Zustand: Ich verliebe mich immer mehr in meine Frau. Ärgerlich – zehn Jahre habe ich mich gewehrt (…) Die Frauen sind doch alle gleich. Jetzt erniedrige ich mich sogar bis zu leichter Eifersucht. Sie ist lieb und süss. Und dick.»
Doch solche Gefühlsausbrüche sind eher selten beim Vielschreiber Bulgakow. Viel mehr nahmen ihn seine wiederkehrenden Krankheiten gefangen, an denen er 1940 verstarb, ohne dass sein Traum vom Reisen ausserhalb der UdSSR je in Erfüllung ging.
Buch
Michail Bulgakow
«Ich bin zum Schweigen verdammt. Tagebücher und Briefe»
352 Seiten
(Luchterhand 2015).