Ein Stoff nach seinem Gusto: Luis Buñuel, das spanische Enfant terrible des Kinos, verfilmte 1967 den Roman «Belle de jour» (1928) des französischen Schriftstellers Joseph Kessel. Er erzählt darin die Geschichte von Séverine Serizy, die unglücklich, weil unerfüllt, verheiratet ist. Nicht ihr bourgeoiser Mann Jean Sorel ist schuld, sie selber findet sich als frigide Frau zur Liebe unfähig. Séverine befreit sich von ­ihren Zwängen, indem sie ihre Visionen, ihre geheimen Wünsche auslebt: Nachmittags zwischen 14 und 17 Uhr bietet Séverine im Edel-Bordell unter dem Künstlernamen «Belle de jour» ihre vielfältigen Dienste an. Das Doppelleben als vermeintlicher Ausweg aus dem Unglück.

Die Titelrolle übernahm die damals 24-jährige Catherine Deneuve. Meister­regisseur Luis Buñuel (1900–1983) bezeichnete seinen Film als «pornografisch», es gehe aber auch um «keusche Erotik». Tatsächlich kommt handfester Sex nie ins Bild. Es bleibt, und das ist grosse Kunst, bei Andeutungen. Wie auch der Schwebezustand bewahrt wird zwischen Einbildung, Traum und Wirklichkeit. Da finden sich deutliche Spuren des Surrealismus, mit dem Buñuel seine filmische Karriere vier Jahrzehnte zuvor begonnen hatte.

In seiner Autobiografie «Mein letzter Seufzer» blickte Buñuel auf «Belle de jour» zurück: 

«Der grösste kommerzielle Erfolg meines Lebens», schreibt er da. «Was ich aber mehr den Nutten in dem Film zuschreibe als meiner Arbeit.»

Belle de jour
Regie: Luis Buñuel
Frankreich 1967
DVD, 95 Minuten
(Arthaus Collection 2010).