Das E-Book ist gut 20 Jahre alt – älter, als man denkt. Mit Blick auf die 500-jährige Geschichte des Buchdrucks sind zwei Dekaden allerdings läppisch. So zog die diesjährige und erste «Electric Book Fair» in Berlin das Fazit, dass das E-Book in der heutigen Form ein Zwischenzustand ist. Neben der Technik befinden sich Genres, Autoren und Zielgruppen in der Findungsphase. Darauf deutet nicht zuletzt der spärliche Marktanteil der E-Bücher von rund 10 Prozent hin.
Der grosse Vorteil des E-Books im Vergleich zu seinen Printpendants sind die geringen Produktionskosten. Einmal erstellt, liegt das digitale Buch in unendlicher Menge vor; Leser können es per Mausklick und gegen Bezahlung überall herunterladen. Klassische Verlage werden damit überflüssig, Autoren zu Selbstverlegern. Selfpublishing-Dienste wie edubook.ch, e-publi oder Neobooks helfen bei der Gestaltung und sorgen für einen möglichst breiten Vertrieb. Wer sein E-Book zusätzlich in Printform veröffentlichen möchte, wählt einen Dienstleister wie BoD (Books on Demand), der Buchhandlungen und E-Shops beliefert.
Die Investitionskosten des Selbstverlegers von elektronischen Büchern sind moderat. Liegt die Auflagenhöhe bei einem gedruckten Buch für den deutschsprachigen Raum bei 5000 bis 10 000 Exemplaren, kann sie bei einem E-Book für kleinste Zielgruppen reduziert werden. Dagegen steigt im Gegensatz zum verlagsabhängigen Buchgeschäft die Marge. Selfpublishern bleiben im Idealfall rund 50 Prozent des Verkaufspreises.
Massentauglich
Allerdings scheinen die Erlöse bisher nicht für das Verfassen hochstehender Literatur zu reichen, die man in den aktuellen Charts vergeblich sucht. Da die Selbstverleger das komplette Risiko für ihre Arbeit tragen und die Ausgaben für Lektorat und Gestaltung selbst berappen müssen, tendieren sie zum risikoarmen und massentauglichen Easy Reading: Liebesromane mit einem Schuss Sex, Krimis, Thriller, Mystery und Fantasy dominieren die Hitlisten. Da macht auch die Schweizer Indie-Autorin Virginia Fox mit ihrem Erstlingswerk «Die Drachenschwestern» keine Ausnahme. Die Mischung aus Fantasy und Liebesroman landete bereits in der zweiten Woche nach ihrer Veröffentlichung 2013 auf Platz drei der Bestsellerliste von Amazon.
Doch das sind Ausnahmen. Bisher waren E-Books meist nur als digitale Ableger gedruckter Bestseller oder eben als selbstverlegte Titel in den etablierten Genres erfolgreich. Es gibt nun erste ernst zu nehmende Bemühungen der Branche, aus der Unterhaltungsecke herauszukommen. So wurde 2013 mit CulturBooks (www.culturbooks.de) ein reiner E-Book-Verlag gegründet, der gemäss Selbstdefinition nur publiziert, «was im Massenmarkt untergeht: ungewöhnliche Formate, Texte zwischen den und ausserhalb der Genres». Das Programm reicht von 20-seitigen Erzählungen über Novellen und Kurzromane bis zum Science-Fiction-Roman. Im Mittelpunkt stehen handverlesene Originalausgaben von rund 30 Autorinnen und Autoren, die exklusiv bei CulturBooks veröffentlichen.
Hauptsache anders
Mikrotext (www.mikrotext.de), «ein Verlag für kurze digitale Lektüren», wählt einen ähnlichen Ansatz, sich niveauvoll von der Masse abzuheben. Der Schwerpunkt des Angebots liegt auf zeitgenössischen Themen, die sich aus sozialen Medien oder internationalen Debatten generieren.
Auch der Frohmann Verlag (frohmannverlag.tumblr.com) will sich vom Mainstream absetzen und experimentiert mit neuen Literaturformen. Bei «Twitteratur» zum Beispiel geht es um Bücher, die sich aus Twittereinträgen zusammensetzen.
Der Berliner Verlag Frisch & Co. (frischand.co) dagegen setzt auf die Verknüpfung von Sprache und gehaltvoller Literatur. In Zusammenarbeit mit renommierten Verlagen wie Suhrkamp bringt er deutschsprachige Klassiker und Werke von Autoren, die in ihrer jeweiligen Heimat bereits bekannt sind, auf Englisch heraus.
Die grösste Herausforderung für diese kleinen E-Book-Verlage ist: Die Kundschaft muss sie in den unendlichen Weiten des Internets finden. So kommen sie meist nicht umhin, ihre Bücher zeitgleich bei den grossen Online-Vermarktern anzubieten.
Einen eigenen Weg beschreitet die im März gegründete Plattform Minimore (minimore.de). Die Site vertreibt deutsch- und fremdsprachige Titel in allen gängigen Formaten ohne Kopierschutz. Die Macher verfolgen den Ansatz einer gut kuratierten «E-Book-Boutique» mit dem Ziel von rund 1000 Buchtiteln. Ähnlich der kleinen Buchhandlung um die Ecke soll eine Auswahl guter Literatur präsentiert werden, die bei Amazon & Co. aufgrund der schieren Masse untergehen würde.
So entstehen allmählich digitale Buchshops, in denen der Leser Titel findet, die nicht nach den Erfolgsformeln grosser Verlage geschrieben sind. Bis sich daraus aber ein nennenswertes Geschäft entwickeln wird, kann kaum ein Autor auf die digitalen Buch-Supermärkte verzichten.
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