Alles hat am «Bösen Montag» angefangen. Mit einer halben Flasche Jack Daniel’s intus und barfuss. Jane Mumford und Lea Whitcher traten auf der Offenen Bühne im Theater am Hechtplatz als The Whiskey Sisters auf und rechneten fest damit, ausgebuht zu werden. Doch den Zuschauern habe ihr Herumalbern gefallen, sagen sie vier Jahre später im Café Plüsch in Zürich und wirken nicht mehr so erstaunt, wie sie es damals wohl gewesen waren. Die beiden fast 30-Jährigen sitzen nebeneinander auf dem Sofa. Jane stopft ein Stück Spinatwähe in sich hinein, als hätte sie seit Tagen nichts gegessen, während Lea ihr Glas Weisswein vergisst und nach dem Interview trinken wird.
Zur Genesung aufs Kreuzfahrtschiff
Heute nennen sich Jane und Lea 9 Volt Nelly und stehen gleich auf mehreren Bühnen. Zurzeit touren sie mit ihrem Stück «Ich möchte ein Eisberg sein» durch die Schweiz. Es ist ihr erstes abendfüllendes Programm. Daneben treten sie jeden Monat in Renato Kaisers News-Satire «Kaiser-Schmarren» im Casinotheater Winterthur auf und haben immer wieder Einsätze als The Whiskey Sisters, The Roaring Sisters oder The Apocalypse Sisters.
Der Name des aktuellen Stücks «Ich möchte ein Eisberg sein» ist ein Wortspiel mit dem Songtitel von Grauzone aus dem Jahr 1981 – «Ich möchte ein Eisbär sein». «Die Hauptfiguren wollen sich abschotten von allen negativen News, die auf der Welt zirkulieren, damit das Dasein nicht mehr so schmerzt», erklärt Lea. Oder anders gesagt: Frau Schmidli und Frau Heini erleiden ein Empathie-Burnout, von welchem sie nur durch Ferien genesen können. Also buchen sie eine Kreuzfahrt. Das Schiff kämpft sich durch «das Bermudadreieck der Spassgesellschaft» und «die seichten Gewässer des abendländischen Inseldenkens». Zum guten Schluss kracht es in einen fetten Eisberg. Voller Zuversicht, obwohl seinen Passagieren das Wasser bis zum Halse steht.
Freistunde wird zurKreativwerkstatt
Während Lea vom Stück erzählt, kichert Jane. Auf die Frage, welchem Genre ihre musikalisch untermalten Sprechperformances zuzuordnen seien, sagt sie: «Diese Frage haben wir unseren Freunden auf Facebook gestellt. Aber leider hat bis heute keiner geantwortet.» Also gibt sie die Antwort selbst: «Chabis. Musikalische Satire. Cabaret.» Lea sagt indessen: «In unseren Aufführungen steckt jede Form von Kleinkunst ausser Poetry Slam.»
Die Künstlerinnen lernten sich im Liceo Artistico kennen, einem Zürcher Gymnasium mit Schwerpunkt Bildnerisches Gestalten. Lea gehörte zur Raucherclique, Jane zu den Brillen-Nerds, weshalb sie kaum miteinander zu tun hatten. Da waren lediglich die Englischlektionen, von denen sie freigestellt waren, weil sie zweisprachig sind. Und das war auch die Zeit, in der sie zusammen im Schulhaus sassen und sich Theaterstücke ausdachten. Einfach so, weil sie nichts Besseres zu tun hatten.
Als sei das Leben kein bisschen ernsthaft
Nach dem Gymnasium verloren sie sich aus den Augen. Lea studierte Schauspiel an der Zürcher Hochschule der Künste, Jane Animation an der Hochschule Luzern – Design & Kunst. Eines Tages brauchte Lea ein Poster für ein Theaterprojekt. Und weil Jane gut zeichnen konnte, rief sie sie an. Also tranken sie ein Glas Weissen zusammen, sahen sich wieder öfter und kamen einige Weinabende später auf die Idee, gemeinsam aufzutreten.
Wann immer sie an einem neuen Stück schreiben, setzen sie sich in Leas oder Janes Küche im Kreis 3, trinken Kaffee und lassen ihre Gedanken sprudeln, bis sie losprusten. «Wenn wir beide lachen, dann wissen wir, dass es gut ist», erklärt Jane.
Es ist einer der Momente, in denen die beiden so wirken, als seien sie immer noch im Gymnasium. Immer wieder lacht eine über die Gedanken der jeweils anderen, und man kann sich vorstellen, wie sie mit Ideen spielen, stundenlang, als sei das Leben kein bisschen ernsthafter geworden seit damals. Vielleicht ist es diese Leichtigkeit, die ihnen Erfolg beschert. Sie sagen denn auch: «Obwohl das Auftreten Arbeit ist, fühlen wir uns auf der Bühne wie auf einer Achterbahn. Es macht einfach Spass!» Und: «Wir scheuen uns nicht davor, auch mal primitive Witze zu reissen wie etwa über Delfinpenisse. Was man von Frauen nicht unbedingt gewohnt ist …»
Ideale Ergänzung dank anderen Erfahrungen
Ein wenig nervös sind sie dennoch, wenn sie auf der Bühne stehen. Lea mehr als Jane. «Aber es wird allmählich besser», sagt sie. Irgendwann lerne man, dass das Publikum auch Fehler verzeihe. Jane wiederum musste lernen, exakt zu spielen. Dabei hat ihr Lea geholfen. Sie hat Bühnenerfahrung und steht deshalb stets für die Dramaturgie einesStücks ein. «Dafür ist Jane eine Ideenmaschine. Während ich eine Idee habe, hat sie 25», bemerkt Lea. Und man denkt sich, dass das Duo wohl nach diesem Interview noch lange in der Bar sitzen bleiben wird. Über sich selbst lachend und sprudelnd vor Ideen.
9 Volt Nelly
Ich möchte ein Eisberg sein …
Mo, 13.11., 20.30 Theater im Teufelhof Basel
Fr, 24.11., 20.00 Eisenwerk Frauenfeld
Mo, 11.12., 19.00 Miller’s Zürich
Kaiser-Schmarren: Sonntags-Satire in der Beiz
So, 19.11. & So, 17.12., jew. 19.00
Casinotheater Winterthur
Infos: www.9voltnelly.ch