Lange erste sieben Minuten des Films bleiben stumm. Die Kamera begleitet die 22-jährige Claudia (Ximena Ayala) auf ihrem Weg von der Schufterei im Supermarkt nach Hause – ein trostloser Verschlag im Industriegebiet der mexikanischen Stadt Guadalajara. Claudia hat Schmerzen. Im Spital vermutet man zuerst eine Schwangerschaft; es ist eine Blinddarmentzündung.
Neben Claudia liegt Martha (Lisa Owen), Mutter von vier Kindern. Man freundet sich an, und Claudia wird eingeladen, zu ihnen nach Hause zu kommen. Zumal sich herausstellt, dass sie keine Familie hat. «Ich bin allein, seit ich zwei bin, seit dem Tod meiner Mutter», bekennt Claudia gegenüber Martha. Diese muss immer wieder ins Spital. Ihre Krankheit wird nie benannt. Doch zu vermuten ist: Aids. Die Kinder Armando, Mariana, Wendy und Alejandra kümmern sich um ihre Mutter, besorgen den Haushalt. Claudia wird eine von ihnen. Sie findet in Martha einen Mutterersatz.
Eines Tages kommt die Idee auf, übers Wochenende an den Strand zu fahren. So reist man zu sechst im gelben VW-Käfer ans Meer. Mit im Gepäck ist auch das Aquarium samt Fisch und goldener Winke-Katze. Am Glas klebt eine Etikette mit der Aufschrift «Los insólitos peces-gato». Der Familie sind einige unbeschwerte Stunden beschert. Bis Martha notfallmässig ins Spital muss. «Wieso muss das immer passieren, wenn wir es schön haben?», fragt die Älteste, Alejandra.
Der letzte Wunsch
Am Schluss fahren sie – diesmal nur zu fünft – im VW durch Guadalajara. Dem Wunsch von Martha entsprechend zerstreuen sie deren Asche in der Stadt. Aus dem Off hört man die Verstorbene einen Abschiedsbrief lesen, mit Tipps, Wünschen und Ermahnungen an ihre Kinder. Und der Bitte an Claudia: «Verlass diese Familie nie. Danke, dass du in unser Leben gekommen bist.»
Der Film «Los insólitos peces gato» beruht auf eigenen Erfahrungen der 32-jährigen Regisseurin und Drehbuchautorin Claudia Sainte-Luce. Die einsame Protagonistin ist nicht zufällig eine Namensvetterin. Und die Figur Wendy ist tatsächlich ein Mitglied jener Familie von damals. Sie ist in der Zwischenzeit Schauspielerin geworden und spielt sich selbst.
Der Film liege «irgendwo zwischen Drama und Komödie», sagt die Regisseurin. «Komödie, weil die Protagonisten versuchen, ihr Pech mit Humor zu nehmen. Drama, weil sie keine andere Wahl haben. Wir sind alle auf uns alleine gestellt, aber die Begegnung mit einer Person, welche die gleichen Gefühle teilt, kann das Leben um einiges leichter machen.» «Los insólitos peces gato» erhielt bei seiner Uraufführung letztes Jahr in Locarno den Preis der Jugendjury.
Los insólitos peces gato (The Amazing Catfish)
Regie: Claudia Sainte-Luce
Ab Do, 24.4., im Kino