Ihr Nahtoderlebnis hat sie zu neuen Erkenntnissen gebracht. Und zum Handeln. Monika Dreier wurde bei einer Skitour durch eine Lawine verschüttet. Da habe sie ein Engelwesen neben sich gespürt und nur noch einen einzigen Wunsch gehabt: «Ich möchte in Frieden sterben.» Monika Dreier erlernte darauf den Beruf als Pflegefachfrau, «weil ich die Geheimnisse des Lebens und des Todes ergründen wollte». Der Tod war ihr ein Feind, ebenso wie Sterben und Krankheit. Nun sagt sie: «Sterben halte ich für den schönsten Prozess im Leben, die grösste Verwandlung. Und der Tod ist für mich ein Freund geworden.»
Als exotisch erscheint der Förster und Heiler Sam Hess. Der sogenannt Hellsichtige zelebriert ein eigenartiges Rauch-Ritual, mit dem er Seelen befreit.
Glück im Rucksack
Hess, ehemaliger Engelberger Klosterschüler, holt «Seelen, die nicht Ruhe geben, zum Haus raus». Eines seiner «Glaubensbekenntnisse»: «Man will nicht akzeptieren, dass es viel, viel mehr gibt hinter dem Ganzen, als das Bitzeli Menschenhülle, in dem wir drin wohnen.» Und: «Der Mensch ist ständig auf der Suche und findet sein Glück nicht, dabei hat er es hinten im Rucksack.»
Zwei Beispiele von mehreren, die der Film ins Zentrum stellt: Persönlichkeiten mit ihrem Glauben und Denken über die Grenzen des Diesseits hinaus. Der Schwyzer Kapuzinermönch, der Sterbende begleitet; der Engelberger Benediktiner Eugen Bollin, Maler und Lehrer; Alfons Bachmann, der als Einsiedler auf einer Alp dem Materiellen weitgehend entsagt. Edwin Beelers Kamera, von ihm selber geführt, kommt seinen Menschen sehr nah, bis ins Kranken- und sogar ins Sterbezimmer. So gelingen dem Regisseur Momente von berührender Intimität.
Alle Bilder sprechen für sich; auf einen Kommentar wird verzichtet. Und immer wieder zwischendurch: Bilder von eindrücklichen (Inner-)Schweizer Naturlandschaften. Der Film sei für ihn der Versuch, «mich mit dem Thema ‹Spiritualität› auseinanderzusetzen», erklärt Regisseur Edwin Beeler. Seine Definition von Spiritualität: «Die Anerkennung des Geistigen als Realität, die bewusste Beschäftigung mit Sinn- und Wertfragen des Daseins vor dem Hintergrund einer konfessionell unabhängigen, religiösen Lebenseinstellung des Menschen.» Das beziehe sich auf «eine immaterielle, nicht sinnlich fassbare Wirklichkeit, die gleichwohl als transzendente Wahrheit erahn-, erkenn- oder erfahrbar ist und der Lebensgestaltung eine Orientierung gibt».
Volksfrömmigkeit
Thematisch lässt sich im Werk von Edwin Beeler ein grosser Bogen spannen. Es fängt an mit «Bruder Klaus» (1991, über die Wechselwirkung von Mystik und Politik), führt zu «Arme Seelen» (2011) bis zum aktuellen «Die weisse Arche»: Die drei Filme bilden, so Beeler, eine «Trilogie über Volksfrömmigkeit Transzendenz und identitätsbildende, sagenhafte Elemente der (Zentral-)Schweizer Geschichte».
Im Abspann von «Die weisse Arche» sind die Namen von fünf Menschen aus dem Film aufgelistet – sie alle sind vor der Fertigstellung «hinübergegangen».
Die weisse Arche
Regie: Edwin Beeler
Ab Do, 11.2., im Kino