Leni Riefenstahl: Das ewige «Opfer»
Leni Riefenstahl war Nazideutschlands grösste Regisseurin. Ein Dokumentarfilm wartet nun mit neuem, entlarvendem Archivmaterial auf.
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Kulturtipp 24/2024
Hans Jürg Zinsli
Es sei ihr stets um die Kunst gegangen. Leni Riefenstahl hat dieses Credo jahrzehntelang mantraartig wiederholt, auch jetzt wieder, im Dokumentarfilm von Andres Veiel. Aber dann kontert ein TV-Journalist: «Sie bestreiten also, dass es zwischen Kunst und Politik eine Wechselwirkung geben könnte?»
Leni Riefenstahl (1902–2003) war eine der polarisierendsten Figuren des deutschen Kinos. Mit den Propagandafilmen «Triumph des Willens» (1935) und «O...
Es sei ihr stets um die Kunst gegangen. Leni Riefenstahl hat dieses Credo jahrzehntelang mantraartig wiederholt, auch jetzt wieder, im Dokumentarfilm von Andres Veiel. Aber dann kontert ein TV-Journalist: «Sie bestreiten also, dass es zwischen Kunst und Politik eine Wechselwirkung geben könnte?»
Leni Riefenstahl (1902–2003) war eine der polarisierendsten Figuren des deutschen Kinos. Mit den Propagandafilmen «Triumph des Willens» (1935) und «Olympia» (1938) gelang ihr eine steile Karriere in Nazideutschland. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde sie in einem Gerichtsverfahren als «Mitläuferin» taxiert.
Viele mochten jedoch nicht glauben, dass die Regisseurin von den Nazigräueln nichts gewusst hatte. Riefenstahl kämpfte in der Folge verbissen um die Deutung ihres Images und ihrer Biografie, strengte Dutzende von Rufmordprozessen an.
Leni Riefenstahls Gesinnung aufgedeckt
Besonders interessant an Andres Veiels Dokumentarfilm ist seine Entstehungsgeschichte: Die Journalistin Sandra Maischberger interviewte Riefenstahl 2002 zu ihrem 100. Geburtstag – vom Ergebnis war die jetzige Filmproduzentin jedoch enttäuscht.
Als Riefenstahls Nachlass 2016 in die Stiftung Preussischer Kulturbesitz überführt wurde, bot Maischberger der Stiftung eine Inventarisierung des Konvoluts an – mit der Bedingung, dass sie das Material für einen Dokumentarfilm nutzen dürfe. Herausgekommen ist nun ein Werk, welches einerseits das von Riefenstahl minutiös inszenierte Opferbild hinterfragt, andererseits mit der Fülle von Archivmaterial kämpft. Dabei gibt es im Film genügend Statements, die ihre Gesinnung entlarven.
Als die Regisseurin einmal gefragt wird, ob sie statt Porträts über durchästhetisierte Modellathleten auch einen Film über Behinderte gemacht hätte, sagt sie kurz und knapp: «Nein. Das ist ja nicht mein Beruf.»
Riefenstahl
Regie: Andres Veiel
D 2024, 115 Minuten
Ab Do, 21.11., im Kino