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Einmal sagt sie es ganz deutlich: «Auf der Bühne dachten alle, ich sei total entspannt.» Joan Baez, die US-Folk-Ikone, Bürgerrechtlerin und Pazifistin – was sollte diese so geerdet wirkende Frau jemals aus dem Gleichgewicht bringen? Die Regisseurinnen Karen O’Connor, Miri Navasky und Maeve O’Boyle konnten für «Joan Baez – I Am a Noise» auf ein riesiges Archiv an Briefen, Videos und Tonaufnahmen zurückgreifen. Angelegt hatten dieses die Eltern der Sängerin, ohne dass sie davon wusste.
Die knapp zweistündige Dokumentation beginnt mit einem Zitat von Gabriel García Márquez: «Jeder Mensch hat drei Leben. Das öffentliche, das private und das geheime.» Eine programmatische Ansage. Baez’ öffentliches Leben begann 1959, als sie über Nacht zum Star wurde, und es endete mit ihrer Tournee 2018/2019. Im Film geht es aber nebst sparsam eingestreuten Konzertaufnahmen mehr um das ambivalente Verhältnis zum von ihr geförderten Bob Dylan und ihren einstigen Ehemann David Harris.
Wobei Baez offen zugibt, nicht sehr gut in 1:1-Beziehungen zu sein. «Ich bin besser in 1:2000.» Ihr Sohn Gabriel, der sie oft auf Tourneen begleitete, bestätigt, dass seine Mutter nicht oft für ihn da war.
«Mein Geist versinkt sehr schnell in Dunkelheit»
Das alles ist von beträchtlicher Dramatik. Weit erschütternder aber ist, was Baez von ihrem geheimen Leben offenbart, wenn sie von Panikattacken spricht, von Selbstzweifeln und Persönlichkeitsstörungen, von Drogen, Therapien und Depressionen. «Mein Geist versinkt sehr schnell in Dunkelheit», sagt die Frau mit der glockenhellen Sopranstimme.
Und gerade als man denkt, dass es nicht schlimmer kommen könnte, spricht Baez den potenziellen sexuellen Missbrauch durch ihren Vater an. Sie könne zwar nichts beweisen, aber wenn nur 20 Prozent von dem wahr sei, was ihre jahrelange Aufarbeitung an Verdrängtem zu Tage gefördert habe, sei es schlimm genug. Viel aufwühlender kann eine Dokumentation über das unentspannte Leben einer Künstlerin nicht sein.
Joan Baez – I Am a Noise
Regie: Karen O’Connor, Miri Navasky, Maeve O’Boyle
USA 2023, 113 Minuten
Ab Do, 28.12., im Kino
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