Zuerst fällt er vom Fahrrad, beisst dann vor Hunger in einen Vogel und stürzt sich – weil er unerlaubt vom Militär davonlief – von einer Brücke. Das sind aber nicht die grössten Probleme von Ernst Schrämli. Der junge Mann wird 1942 wegen angeblichen Landesverrats vom Militär erschossen.
Gespielt wird der junge Mann in Michael Krummenachers Film nicht von einem bekannten Schauspieler, sondern von einem absoluten Newcomer: Dimitri Krebs. Er sei in Ausbildung zum Sozialarbeiter, sagt der 27-Jährige im Videogespräch, spiele aber schon länger in der Band von Björn Magnusson, der die Musik für diesen Film komponierte und mit dem Regisseur befreundet ist. Eines habe sich zum anderen gefügt – nach langer vergeblicher Suche nach einem Hauptdarsteller, notabene.
Ernst Schrämli war in den 70er-Jahren Thema im Buch von Niklaus Meienberg und im Dokumentarfilm von Richard Dindo («Die Erschiessung des Landesverräters Ernst S.»). Damals wurde erbittert darüber debattiert, ob der zum Tode Verurteilte ein Bauernopfer sei.
«Ich habe länger überlegt, ob ich diese Rolle annehmen soll», sagt Krebs, «aber wie oft bekommt man im Leben eine solche Chance?» Er habe sich deshalb vom Studium eine Auszeit genommen.
Der Figur Schrämli sieht er sich insofern verbunden, als auch er ein eher feinerer Typ von Mann sei: «Diese Spontaneität, dieses Rumdriften, das habe ich in mir.»
Er verströmt eine fast surreale Natürlichkeit
Weil man bei der Filmproduktion um das Risiko mit dem Neuling wusste, wurde er auf eine Schnellbleiche nach London geschickt, um das Drehbuch mit einem Coach durchzugehen.
Method-Acting sei jedoch nichts für ihn, meint Krebs. Das mag erstaunen, weil man sich das Spiel eines Newcomers genau so vorstellt – als Light-Version seiner selbst. Doch bei Krebs war das anders. Da seine Figur von einer Gesangskarriere in Berlin träumt, musste er zusätzliche Kurse absolvieren. «Ich bin Schlagzeuger. Vom Singen verstehe ich nichts.» Im Film sieht man Dimitri Krebs die Herausforderungen nicht an. Im Gegenteil: Er verströmt eine fast schon surreale Natürlichkeit.
Eine Szene sei allerdings schwierig gewesen – als Ernst sich zu Beginn von der Brücke stürzt. «Ich sollte die ganze Euphorie dieses Träumers zeigen. Doch es war der letzte Drehtag, und wir waren von unserem Abschlussfest so mitgenommen, dass ich es erst auf die Reihe brachte, als ich mir kurz Zeit nahm und an einen Witz dachte.»
Welchen? Krebs weiss es nicht mehr. Aber es zeigt, dass er auch schwierige Situationen zu meistern versteht. Ob er gern weitere Rollen spielen würde? «Wie der Film ankommt, kann ich nicht abschätzen», sagt der Neuschauspieler diplomatisch. «Ich setze aber nicht alles auf die Karte Schauspielerei.»
Landesverräter
Regie: Michael Krummenacher
CH 2024
117 Min., ab Do, 24.10., im Kino
Dimitri Krebs’ Kulturtipps
Radio
Reimagining Country
«Eine monatliche Sendung von NTS Radio auf den Spuren von Countrymusik. Eine Geschichte, geprägt von Migration und Sklaverei, Steelguitars und Blue Yodels.»
www.nts.live/shows/reimagining-country
Album
Moin: Moot! (AD 93)
«Ein Projekt der genialen Schlagzeugerin, Komponistin und Wundertüte Valentina Magaletti. Ich durfte sie letztes Jahr live erleben und zehre immer noch davon.»
Film
Brunaupark
«Ein eindrücklicher Dokfilm über Gentrifizierung und Verdrängung in Zürich, am Beispiel eines lebendigen Quartiers – mit meinem Lieblingszitat: ‹Wemmer alli under de Brugg münd go wone, muss d Stadt Züri efach meh Brugge baue.›» Jetzt im Kino.