Er sprach mit Wölfen, schmierte Fett in rechte Winkel, gab den kauzigen Spinner: Die Avantgarde-Legende Joseph Beuys versuchte zeitlebens, Kunst, Wissenschaft und Natur zu verschmelzen – und gefiel sich dabei in der Rolle des provokativen Schamanen. Seine Ideen leben weiter, wie nun etwa eine Gruppenausstellung im Haus der Elektronischen Künste (HEK) in Basel zeigt.
«Regionale 22 – Wired magic» beschäftigt sich mit Ritualen und Methoden der Wissensproduktion, wie magisches Denken, Hexerei oder Schamanismus. Ein Dutzend Künstler untersucht, wie sich diese Rituale im Zusammenspiel mit moderner Technologie verhalten.
Maya Hottarek (*1990) ist eine von ihnen. Im eigens produzierten Video wirft die Bieler Künstlerin sich in Beuys’scher Manier ein Fell über und verwandelt sich zur mystischen Kreatur in einer fremden Welt. Traumwandlerisch schwebt sie durch sumpfiges Gras, sammelt magische Beeren, mit denen gängige Machtstrukturen über den Haufen geworfen werden können. Einem halluzinogenen Trip gleich verwebt Hottarek so Heilkräfte der Natur und das Wissen von Kräuterfrauen und Hexen mit Systemkritik. Gestützt auf das «Terrestrische Manifest» von Philosoph Bruno Latour, erklärt sie im Gespräch: «Die Menschheit befindet sich mit dem kapitalistischen System in einem Flugzeug, dem der Treibstoff ausgeht. Doch wo kann die Maschine landen?» Absturz und Notlandung sind vorprogrammiert.
Publikum mit Duft, Licht und Ruhe ausbalancieren
Hottarek folgte Latours Rat, sich ein Stück Land zu suchen, das man bewirtschaften und mit anderen teilen kann. Sie kehrte zurück ins wilde, unberührte Naturschutzgebiet im Jura, wo sie als Kind eine letzte Phase naiver Spiritualität im Einklang mit der Natur erlebte und lange Stunden mit magischem Denken, Tieren und Waldwesen verbrachte. Wenig verwunderlich, setzt die Künstlerin bei ihren Kreatur-ähnlichen Keramiken auf atmende, organische Strukturen, um mit der technologisierten Welt zu brechen.
Mal ironisch, mal mit kritischer Ernsthaftigkeit befassen sich die im HEK ausstellenden Kunstschaffende mit der eigenen Praxis. Till Langschied etwa geht auf die Metaphysik in Cloud-Speichern ein und hinterfragt, ob das Unsichtbare darin als Magie wahrgenommen werden könnte. Karin Borer enthüllt mit Filmmaterial Tricks und Illusionen. Und in Ludovic Hadjeras Arbeit wandelt die römische Göttin Diana zwischen realen Wäldern und digitaler Welt.
Hottarek, die aktuell auch in Biel mit Komponist Julian Zehnder eine meditative Audio-Installation zeigt, kitzelt derweil fein die Sinne. Anders als Beuys möchte sie das Publikum nicht erschlagen, sondern mit Duft, Licht und Ruhe ausbalancieren. Funktioniert das? Beuys würde wohl lapidar singen: «Ja-ja, Nee-nee».
Ausstellungen
Regionale 22 – Wired Magic
Sa, 27.11.–So, 30.1.2022 HEK Basel
www.hek.ch
Isomorphous Drip
Bis Sa, 4.12. Krone Kunstzentrum Biel BE
www.kronecouronne.ch